© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
Das Schweigen der Kirchen
von Georg Müller

Eine geradezu beängstigende Stille liegt über den Kirchen und Gemeinden unseres Landes. Da sind acht Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation „Shelter Now“ (zwei US-Amerikaner, zwei Australier und vier Deutsche) seit nunmehr über fünf Wochen in Haft. In zahllosen Tageszeitungen finden sich Überschriften wie „Deutschen droht Todesstrafe“. Doch von keiner einzigen Landeskirche, keiner evangelischen Freikirche, keiner Gemeinschaftsbewegung wurde bisher bekannt, daß sie öffentlich zur Fürbitte für diese schwer bedrängten Christen aufgerufen hat Die EKD hat - nach (!) einer Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea - ihren Protest geäußert. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) schweigt, obwohl sie sonst des öfteren sogar schon zu politischen Vorgängen Stellung bezogen hat. Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen schweigt. Dabei gehören die vier Christen sogar einer Freikirche an.

Als in Südafrika Schwarze, von denen nicht bekannt war, ob sie Christen waren, inhaftiert wurden, haben Kirchen in Deutschland zu „Südafrika-Sonntagen“ aufgerufen, das Land wurde boykottiert, zahllose Kirchenvorstände, Gemeinden und Synoden kritisierten in aller Schärfe die Regierung dieses Landes. Es wurde in so gut wie allen Gottesdiensten für die Inhaftierten gebetet. Kirchen entwickelten eine starke Reisediplomatie nach Südafrika. Und jetzt, wo es um Christen aus dem eigenen Lande geht: weithin Schweigen.


 
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