© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Kolumne
Fünfte Kolonne
Klaus Motschmann

Die vielfältigen Reaktionen auf die Terrorschläge in den USA bestätigen unter anderen ein Wort Goethes, das er bemerkenswerterweise Mephisto sprechen läßt: „Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.“ Es ist in diesem Falle das Wort „Schläfer“, mit dem die allzeit bereiten moslemischen Terroristen im „Ruheraum“ Deutschland bezeichnet bzw. verzeichnet werden.

Mit einem neuen Wort werden zunächst neue Vorstellungen suggeriert, in diesem Zusammenhange von einer neuartigen, bislang nicht bekannten oder erkannten Art von Terrorismus. Das ist aber nicht der Fall und insofern eine offensichtlich bewußte Ablenkung von der Tatsache, daß es derartige „Schläfer“ schon immer, im „Ruheraum“ Deutschland sogar im zunehmenden Maße gegeben hat. Wie war es z.B. mit den linksextremistischen „Schläfern“ und ihren intellektuellen Beischläfern, die teilweise in direkter Verbindung mit der Stasi in der DDR standen und auch dort einen „Ruheraum“ hatten? Sie haben zumindest die nötigen politischen, rechtlichen und sozialen Vorraussetzungen für einen angenehmen und ungestörten Aufenthalt in Deutschland geschaffen und erhalten. Obwohl es über die Jahre hinweg an eindeutigen Beweisen für die Aktivitäten eines weltweiten Terrornetzes nicht gefehlt hat, sind die erforderlichen Konsequenzen daraus nicht gezogen worden. Psychologen sprechen in so einem Falle von einem „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (ADS).

Im Gegenteil! Jeder Verdacht des Aufbaus einer sogenannten Fünften Kolonne oder der Unterwanderung ist lange Zeit, bis in die Gegenwart hinein, als Ausdruck von politisch erzeugter Hysterie, Gesinnungsschnüffelei und Meinungsterror energisch zurückgewiesen worden, weil er von der „Faschisierung“ der Gesellschaft ablenken soll. Auch wenn man die offen proklamierten Terrorakte nicht grundsätzlich billigte, so hat man sie auch nicht grundsätzlich verurteilt und damit im und um den „Ruheraum“ Deutschland einen Dämmerzustand erzeugt, der klare Orientierungen kaum noch ermöglichte. Damit ist es zumindest für einige Zeit vorbei. Es keimt Hoffnung aus der Erinnerung an eine bekannte Sage aus der europäischen Geschichte: Die Gallier konnten 386 v. Chr. nur deshalb in Rom eindringen, weil die Wachen des Kapitols eingeschlafen waren. Durch das Geschnatter der heiligen Gänse der Juno wegen des Geschreis der Eindringlinge wurden sie aber geweckt, konnten das Kapitol verteidigen und die Gallier aus Rom vertreiben. Warum nicht heute - einfach durch bloße Wachsamkeit!

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin.


 
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