© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Weltbild geraderücken
Parteitag: Die PDS und der Kampf gegen den Terror
Ronald Gläser

Der PDS-Parteitag war optimal vorbereitet. In Dresden trafen sich die Delegierten. In dieser Stadt war ihnen im Sommer ein Coup gelungen, der ihre Akzeptanz auf der politischen Bühne weiter gesteigert haben dürfte. Durch ihre Unterstützung konnte der nun zu Dank verpflichtete Oberbürgermeister Roßberg (FDP) ins Amt gehievt werden. Damit haben sie sogar über die Volksfront hinaus die Bündnisfähigkeit unter Beweis gestellt. Gleichzeitig befriedigte die SED-Nachfolgeorganisation ihre Nostalgie. Der Parteitag fand nicht zufällig am 7. Oktober, dem Gründungstag der verblichenen DDR, statt.

Trotzdem hat Präsident Bush dem Parteitagsfahrplan mit seinen Militärschlägen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Neunzig Minuten vor der Tagesschau begann das Bombardement in Afghanistan, und die Sonderbeiträge aus der sächsischen Landeshauptstadt verschwanden im Archiv der Fernsehsender.

Natürlich war auch der PDS-Parteitag geprägt von der Auseinandersetzung um die weltpolitische Lage nach dem 11. September. Die Partei schert zwar wenigstens aus der Reihe der kriegsbegeisterten Allparteienkoalition aus, gibt aber dennoch ein diffuses Erscheinungsbild ab. Bei früheren militärischen Auseinandersetzungen rief die Partei unisono „Njet“. Die neue Art der Konfrontation mit Terroristen und vielleicht auch die Stimmung in der Bevölkerung haben die Parteispitze diesmal zu differenzierteren Aussagen gezwungen.

Die klammheimliche Freude, insbesondere unter den westlichen Kadern aus ehemaligen Splitterorganisationen, wurde offen gerügt. Der Parteivorsitzenden Zimmer gelang es, den puren Antiamerikanismus aus dem Friedensappell zu verbannen. Gregor Gysi ging im Alleingang sogar soweit, US-Kommandoaktionen, die zur Ergreifung der Täter führen, zu fordern. Den Genossen versuchte er solche Blitzaktionen mit einem Vergleich schmackhaft zu machen: Er erinnerte an die Entführung Adolf Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst Mossad. Gleichzeitig interpretierte er den Konflikt auf die typische kommunistische, dialektische Art und Weise um. Die geknechtete Sekretärin in New York sei Opfer des schwerreichen Osama bin Laden geworden, der seine patriarchalische Gesellschaftsstruktur zu verteidigen suche. Und schon paßt das Marx’sche Weltbild wieder.

Die 450 Delegierten mochten ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden an dieser Stelle nicht mit demselben frenetischen Jubel folgen. Aber auch die Wähler laufen der Partei nicht so zu wie beispielsweise im Europawahlkampf, als der Krieg gegen Serbien tobte. In Berlin dümpelt die PDS vor sich hin. Das erklärt vielleicht auch ihr unsicheres Erscheinungsbild. Gysi versucht noch mit anderen, neuen Themen zu punkten. Er wandte sich der Inneren Sicherheit zu und sprach sich für Videoüberwachung und mehr Sicherheitspersonal in öffentlichen Verkehrsmitteln aus. Am 52. Gründungsjubiläum der DDR kann die Ex-SED dies wirklich glaubhaft fordern: den Überwachungsstaat.


 
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