© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Der Start einer Hoffnung
Hamburg: Bürgerblock ist sich einig / Vertrag soll bis zum 19. Oktober unterschrieben sein
Peter Freitag

Die Sondierungsgespräche zwi schen CDU, Schill-Partei und FDP heißen nun auch offiziell Koalitionsverhandlungen. Mit dem Votum der großen Mehrheit des außerordentlichen Landesparteitags am Montagabend beschreiten die Freien Demokraten nun endlich den Weg, den ihre beiden größeren künftigen Koalitionspartner bereits seit der Wahl eingeschlagen haben. Die Koalitions des Bürgerblocks soll nach offiziellen Verlautbarungen aller potentiellen Partner bis zum nächsten Freitag stehen, so CDU-Spitzenmann Ole von Beust am Dienstag.

Obwohl in der vorausgehenden Debatte noch die Magenschmerzen des liberalen Establishments artikuliert worden sind, stimmten 112 der 121 Delegierten für die FDP-Beteiligung an einem Senat des Bürgerblocks. Ein anderer Ausgang der Abstimmung hätte angesichts der während der Sondierungen bereits erreichten inhaltlichen Übereinkünfte auch verwundert. Differenzen gibt es dort nur bezüglich der liberalen Forderung nach Freigabe sogenannter „weicher Drogen“, die von CDU und Schill-Partei abgelehnt wird, sowie in der von Schill gewünschten Bundesratsinitiative zur Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre, was wiederum CDU und FDP nicht mittragen. Zu erwarten ist jedoch, daß diese strittigen Fragen hintangestellt, an ihnen also die Verhandlungen sicherlich nicht scheitern werden. Fortschritte erzielte man im Bereich Wirtschaft, wo beispielsweise die Wiederaufnahme des Transrapid-Projekts zwischen Hamburg und Berlin erwogen wird und man sich außerdem für eine Mittelstandsförderung nach bayerischem Vorbild aussprach. In der Verkehrspolitik sollen die vom rot-grünen Senat erlassenen Schikanen gegen Autofahrer abgebaut werden.

Im Rahmen der von den Bürgerlichen angestrebten Beseitigung des „Filzes“ wird die Behörde für Arbeit und Soziales aufgelöst, ihre Kompetenzen auf mehrere Senatsressorts verteilt. Die Symbolträchtigkeit dieser vergangenheitsbewältigenden Maßnahme ist nicht zu unterschätzen, da die Behörde nicht nur mit Vetternwirtschaft unter Genossen in die Schlagzeilen geriet, sondern auch als Kaderschmiede der Sozialdemokraten diente, wie das Beispiel Ortwin Rundes zeigt, der sich hier die ersten Sporen verdiente.

Die FDP, die im Wahlkampf das Thema Bildung auf ihre Fahnen geschrieben hatte, konnte die beiden Partner für das Abitur nach zwölf Schuljahren gewinnen, außerdem wurde vereinbart, daß die Gesamtschule nicht mehr bevorzugt behandelt wird.

Im wahlentscheidenden Bereich Innere Sicherheit ist die Handschrift der Schill-Partei deutlich lesbar. Gegen aggressive Bettler und Drogensüchtige, die Passanten belästigen, wird in Zukunft eine mehrere hundert Mann umfassende kommunale Ordnungspolizei vorgehen. Die uniformierten Kommunalpolizisten werden im Ausbildungsstandard etwas unterhalb der Landespolizei bleiben, jedoch deutlich über dem Niveau privater Wachdienste; damit sollen Mißstände auf den Straßen behoben werden, ohne daß Anlaß zur Sorge um das staatliche Gewaltmonopol geboten wird. Schwerstdrogenabhängige sollen an ausgesuchten Orten - bestenfalls Kliniken - Heroin erhalten, gegen Dealer wird man erklärtermaßen vehement vorgehen.

Die vom rot-grünen Senat als Mißtrauensinstrument gegen Polizisten eingerichtete „Polizeikommission“ wird aufgelöst, da die Überwachung der Gesetzmäßigkeit staatlicher Organe allein Aufgabe der Justiz sei.

Konsequenter als bisher soll in Zukunft gegen straffällige Ausländer das Mittel der Abschiebung angewandt werden. Dazu gehört auch, daß bei vorgeblicher Minderjährigkeit des Abzuschiebenden Röntgenaufnahmen vom Gebiß zur präzisen Altersfeststellung gemacht werden. Besondere Aufmerksamkeit will man ebenso der „Roten Flora“ widmen, die als Ausgangspunkt für gewalttätige Demonstrationen und Rückzugsgebiet Krimineller gilt. Sollten derartige Vorfälle weiterhin zu beobachten sein, werde man den unter Rot-Grün geschlossenen Vertrag mit einem privaten Investor sofort kündigen, hieß es in den Verhandlungen des Bürgerblocks.

Die Ausdehnung der Schill-Partei wird darüber hinaus immer wahrscheinlicher, getragen von Zustimmungswerten in Höhe von 25 Prozent bundesweit (Forsa-Umfrage). Sollte der Aufbau von Landesverbänden in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gelingen, gilt ein Antreten der Partei bei den dortigen Wahlen im kommenden Frühjahr als sicher. Mit einem Programm für mehr innere Sicherheit erhofft man sich, in diesen Bundesländern „jene Bürger für eine demokratische Partei zurückzugewinnen, die zuvor entweder PDS oder rechtsextrem gewählt haben“, so ein Vorstandsmitglied der Schill-Partei gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.


 
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