© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Minister der Fettnäpfe
von Steffen Königer

Da hatte Rudolf Scharping noch einmal richtig Glück gehabt: Kaum sind in New York die Flugzeuge in das World Trade Center gerast, verstummten alle Rücktrittsfoderungen gegen ihn. In Krisenzeiten - wie viele Demoskopen und Politikwissenschaftler meinen - ist es üblich, daß sich das Volk und die parlamentarische Opposition auf die Seite der Regierung stellt und nicht mit Rücktrittsforderungen wegen Flug- oder Liebesaffären aufwartet. Hat er davon profitiert?

Auf diese Weise blieb dem Steuerzahler zwar eine teure Abfindung erspart, die im Falle seines Rücktritts als Verteidigunsminister fällig gewesen wäre - nur könnte der SPD-Vize den Deutschen dafür erheblich mehr Ansehen kosten. Nicht allein, daß er mit Äußerungen zu Entscheidungen zum Einsatz der Bundeswehr seine Generäle ins Schwitzen brachte (unvergessen sind seine munteren Plaudereien über Aufmarschpläne in Mazedonien), er betätigte sich auch rechtzeitig als Hellseher und rief mal eben den Bündnisfall aus: im Fernsehen! Nichts verwerfliches an sich - nur tat er dies leider eine Woche zu früh. Nicht zu Unrecht werfen ihm Kritiker daher Panikmache vor.

Die Tatsache, daß der 53jährige Berufspolitiker vergangenen Freitag wieder im Vorgriff berichtete, daß eine Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan nicht mehr lange dauern werde, nötigte den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, zu der Aussage, Scharping solle doch das gackern über ungelegte Eier unterlassen. So ist nur eines sicher: Der Verteidigungsminister tritt auch weiter nicht zurück, sondern in jedes Fettnäpfchen!


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen