© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/01 05. Oktober 2001

 
Eine Flut von Eintrittswilligen
Hamburg: Die Wahl hat zu großer Popularität Schills im konservativen Lager geführt
Peter Freitag

Der sensationelle Erfolg der Partei Rechtsstaatlicher Offensive bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen wirkt über die Grenzen des Stadtstaates hinaus ansteckend. Seit Magdeburger Volksstimme und Mitteldeutsche Zeitung das Ergebnis einer nicht-repräsentativen Telefonumfrage veröffentlichten, nach der die Schill-Partei - sollte sie bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt antreten - mit Zustimmungswerten von 81,4 Prozent rechnen könnte, kann sich die Partei vor Eintrittsgesuchen kaum noch retten. Damit haben sich der bereits während des Wahlkampfes zu bemerkende Zulauf und das Interesse an der neuen bürgerlichen Partei noch verstärkt. Aus Kreisen der Partei hieß es, daß die Anträge nun zunächst nach Regionen sortiert werden; wo der Zulauf am größten sei, dort werde die Gründung neuer Orts-, Bezirks- und Landesverbände am wahrscheinlichsten. Aufgrund der zeitlichen Nähe zu den Wahlen in Sachsen-Anhalt werde diesem Bundesland eine gewisse Priorität eingeräumt.

Neben quantitativen Maßstäben müßten natürlich auch qualitative zum Aufbau einer Parteibasis angelegt werden, dazu sollten Eintrittswillige besucht bzw. nach Hamburg zu Gesprächen eingeladen werden. Es sollen keine Extremisten in die Partei. „Die passen nicht zu uns, die wollen wir nicht“, äußerte ein Mitglied der Schill-Partei gegenüber der JUNGEN FREIHEIT mit Blick auf die im derzeitigen Landtag sitzenden ehemaligen DVU-Abgeordneten. Es sei gerade das Erfolgskonzept der Schill-Partei, daß sie mit ihrer pauschalen Abgrenzung „nicht mit dem Virus des Rechtsextremismus infiziert“ worden sei. Statt eine „Addition der Erfolglosen“ zu betreiben, habe man sich zu einer seriösen Volkspartei entwickelt, die für alle Wählerschichten annehmbar sei.

Mit einer klaren realpolitischen Konzeption habe die Partei reüssieren können, sie sei daher auch ein annehmbarer Koalitionspartner für die CDU. „Wir wollen konkrete Ziele für die Bürger Hamburgs erreichen, anstatt wie andere Protestparteien in Fundamentalopposition zu verharren“, so ein führendes Mitglied der Schill-Partei. Für eine Sondierung der eventuellen bundesweiten Ausdehnung der Partei sei ein Gremium zuständig, das jedoch erst nach Abwicklung der Koalitionsverhandlungen in Hamburg seine Tätigkeit verstärken werde.

Auch bei anderen konservativen Gruppierungen hat das Wahlergebnis ein überwiegend positives Echo hervorgerufen. Die Deutschen Konservativen äußerten uneingeschränkte Zustimmung zum Programm Schills und wiesen auf ihre Wahlkampfunterstützung hin. In Hamburg sei der Beweis erbracht worden, so der Vorsitzende Joachim Siegerist zur JUNGEN FREIHEIT, daß bürgerliche Parteien eine Chance haben, wenn sie getrennt marschierten. Als zukunftsträchtig werten die Deutschen Konservativen die Möglichkeit, daß Schill Unterstützung von der CSU erhalte und - mit Ausnahme von Bayern - in anderen Bundesländern antrete. Dem widersprechen jedoch Äußerungen des CSU-Generalsekretärs Thomas Goppel, der die Schill-Partei am liebsten „überflüssig“ machen will.

Mit Blick auf die Sondierungsgespräche zur Bildung eines Bürgerblocks in der Hamburger Bürgerschaft sprachen Vertreter der FDP und der Schill-Partei am Dienstag übereinstimmend von einer guten Atmosphäre. Ohne größeren Dissens habe man bisher die Bereiche Bildung, Verkehr und zum Teil Wirtschaft mit zufriedenstellenden Ergebnissen abgearbeitet.

Während CDU und Schill-Partei die Koalition am liebsten schon bis zur konstituierenden Sitzung der neuen Bürgerschaft am 10. Oktober geschmiedet hätten, will die FDP offenbar noch die Wahlen in Berlin abwarten; sie stehe unter großem Druck seitens der Bundespartei. Übereinstimmend heißt es, daß den Sachthemen der Vorrang vor Personalentscheidungen eingeräumt werde. Behutsam wird in den Äußerungen ein frühzeitiges Verärgern des jeweiligen Gesprächspartners vermieden. So hält die Schill-Partei beispielsweise zwar an dem Vorschlag fest, dem ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl die Übernahme des Justizsenator-Postens anzutragen, allerdings nur im Einverständnis mit der FDP. Bei den Liberalen wird dieser Vorschlag aber offenbar nicht ganz ernst genommen.

Bei einer Gegenüberstellung der Programme stellten sich jedoch weniger Divergenzen heraus, als aus dem Wahlkampf zu vermuten gewesen wäre, meinten Vertreter beider Parteien. Selbst beim heiklen Thema innere Sicherheit scheinen die Positionen gar nicht so weit auseinander zu liegen. Denn auch die FDP will beispielsweise vor der von Schill thematisierten Problematik des aggressiven Bettelns nicht die Augen verschließen. Ablehnend steht sie jedoch dem Vorschlag gegenüber, Teile der Einkaufsstraßen an Geschäftsleute zu verpachten, damit private Sicherheitsdienste bei Belästigungen eingreifen können. Dazu ein Führungsmitglied der Schill-Partei: „Uns kommt es darauf an, in der inneren Sicherheit wichtige Verbesserungen zu erreichen; der Weg dorthin ist dabei zweitrangig.“


 
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