© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001


Blick in die Medien
Oberhetzer
Ronald Gläser

Karl Eduard von Schnitzler, Kommunist seit seiner frühesten Jugend, brüstete sich damit, im Krieg die Rüstungsindustrie sabotiert zu haben. Später avancierte er zum Oberhetzer der DDR-Medien. Er ist aus der Medienlandschaft der DDR nicht wegzudenken. Zunächst produzierte er Lehrfilme wie „Die Mauer“. Darin stellte er die - für ihn - rhetorische Frage: „Können wir lieben, ohne zu hassen?“ Jahrzehntelang lief im Ost-Fernsehen seine Sendung „Der Schwarze Kanal“. 

Der Kommentator vermittelte stets eine so verzerrte Darstellung der Vorgänge im „kapitalistischen Ausland“ (gemeint war die Bundesrepublik), daß niemand die Sendung richtig ernst nahm. Selbst hochgradig indoktrinierte SED-Mitglieder bestätigten seine Unglaubwürdigkeit. Sein giftiger Ton brachte ihm den Namen Sudel-Ede ein. Andere nannten ihn Karl „Eduard von Schnitz“, um zu zeigen, daß sie weiterschalteten, sobald sein Name angesagt wurde. Vielleicht war er die wahre Ursache für das Zapping. Und dennoch war es eine Freude, dem Agitator zuzusehen. Er sprach aus, was die SED-Führung dachte, und widerlegte permanent die „Entspannungspolitik“. In seinen letzten Sendungen vor der Wende lief er zu einmaliger Höchstform auf. 

Doch das Auseinanderklaffen von Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung war nicht mehr zu überbrücken. So wurde Schnitzler, die Ikone der SED-Propaganda, zu einem der ersten Opfer der Wende. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Der Klassenkampf geht weiter!“ Letzte Woche verstarb er im Alter von 83 Jahren.


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