© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001


Meldungen

Grenzen humanitär motivierter Eingriffe

BERLIN. Nach der Luftattacke gegen die USA gehöre „die Politik der globalen Durchsetzung der Menschenrechte ins Reich der Utopie“. Dieses Fazit Henning Ritters (FAZ vom 19. September) scheint der Erlanger Staatsrechtler Christian Hillgruber antizipiert zu haben, als er kurz vor dem 11. September die Studie über „Humanitäre Intervention, Großmachtpolitik und Völkerrecht“ veröffentlichte (Der Staat, 3/01). Hillgruber vergleicht die „Interventionspraxis des Europäischen Konzerts“ auf dem Balkan im 19. Jahrhundert mit den „humanitär“ motivierten Eingriffen nach 1945. Die in Kambodscha und Ruanda noch geübte Zurückhaltung scheint im Kosovo erstmals aufgegeben worden zu sein. Doch damit werde an eine vom Mißbrauch gekennzeichnete „US-amerikanische Praxis“ angeknüpft. Die Zurückdrängung militärischer Gewalt in internationalen Beziehungen sei aber eine zu große zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, um sie leichtfertig auf dem „Altar der Menschenrechte“ zu opfern.

 

Von kommender Weltrepublik

HAMBURG. Vor über zwanzig Jahren setzte sich der Sozialphilosoph und „Kundschafter“ Friedrich Tomberg über Nacht aus Berlin-West in die DDR ab, wo schon ein Jenaer Lehrstuhl auf ihn wartete. Nach seiner Abwicklung verbreitet der ungebrochene Marxist weiter seinen für die bundesdeutsche Rest-Linke durchaus repräsentativen Glauben an den „Fortschritt der Menschheit“. Im Argument (240/01) verkündet Tomberg nun: „Ein Weltstaat ist möglich“. Nur die Hindernisse auf dem Weg dorthin hätten Denker wie Carl Schmitt, der von der existenziellen Feindschaft der Staaten ausging, wohl realistischer eingeschätzt als die „Fortschrittlichen“. Auch signalisiere der „Widerstand der außerwestlichen Völker“, daß die Kosmopolis nicht nach New Yorker Vorgaben einer bis „zum Exzeß durchgeführten Individualisierung“ und Mißachtung überlieferter Formen von Familie, Staat und Religion zu errichten sei. Gleichwohl könne zunächst in Europa das „Bewußtsein humaner Gemeinsamkeit“ wachsen. Damit empfehle sich der alte Kontinent zugleich als ein im Interesse der aus „kommunalen Demokratien“ zusammenwachsenden „Weltrepublik“ handelnder Vermittler im nahenden Konflikt zwischen den USA und den asiatischen „Großräumen“.

 

Der Büchersammler Hans Fallada

WIESBADEN. Ungewöhnliche Einblicke in die Biographie Hans Falladas (eigentlich Rudolf Ditzen) vermittelt Manfred Kuhnke, der den Schriftsteller („Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“) als Büchersammler porträtiert (Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliographie, Heft 162/01). Die Leidenschaft für die “falschen” Bücher (Nietzsche, Oscar Wilde) habe den jungen Ditzen zu einem Doppelselbstmordversuch getrieben, bei dem er seinen Schulfreund tötete. Aus der Bahn geworfen, kam Ditzen in den zwanziger Jahren häufiger mit dem Gesetz in Konflikt. Knappe Mittel und ein unstetes Wanderleben beschränkten seine Sammelleidenschaft auf Reclamhefte. Erst eine feste Anstellung bei Rowohlt, literarische Erfolge und die Etablierung im vorpommerschen Carwitz erlaubten den Aufbau einer kostbaren Bibliothek, die bis 1945 auf 3.600 Bände anwuchs. In den Strudel der Nachkriegswirren geraten, hat der 1947 verstorbene Autor seinen Bücherschatz - bis auf einen kümmerlichen Restbestand - auf dem Schwarzmarkt geradezu “verscherbelt”.


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