© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Baggermeister Ortwin Runde und die Hamburger Städtebaupolitik
Baal Müller

Hamburgs noch amtierender SPD-Bürgermeister Ortwin Runde hält von hanseatisch-patrizischem Bürger-sinn offenbar wenig: „Voller Lust“, wie seine Kultursenatorin Christina Weiss befand, „donnerte“ das Stadtoberhaupt „unlängst mit seinem Bagger eine Mauer der Staatsoper zu Trümmern“, berichtete kürzlich der Spiegel.

Obgleich diese Aktion nur den Auftakt für einen Neubau des Opernbetriebsgebäudes darstellte, ist solcher Umgang mit Architektur für den 44 Jahre von der SPD regierten Stadtstaat symptomatisch: Mehrere Straßenzüge zwischen Binnenalster und St.-Petri-Kirche mit wilhelminischen Kontorgebäuden - eines stammt vom Architekten des Hamburger Rathauses, Martin Haller - sollen nächstes Jahr trotz des Widerstandes des Denkmalschutzamtes abgerissen werden. Geplant ist dafür der Bau einer voraussichtlich über 800 Millionen Mark teuren sogenannten Europa-Passage, eines Einkaufs- und Vergnügungszentrums, für das die beauftragten Architekten bislang noch nicht einmal genauere Entwürfe vorgelegt haben.

Da die Stadt Hamburg über ihre Landesbank zu den Investoren dieser besonders schwerwiegenden Bausünde gehört, die Verträge aber noch nicht unterschrieben sind, besteht noch eine geringe Chance, den Abriß der prachtvollen Altbauten zu verhindern, wenn die derzeitige Aufbruchstimmung nach der Niederlage der rot-grünen Koalition möglichst viele Hamburger beflügelt, gegen den Genossenfilz anzukämpfen und für den Erhalt ihrer Stadt einzutreten.

Während der im westeuropäischen Vergleich meist katastrophale ästhetische Zustand deutscher Großstädte mit ihren tristen Wohnblocks und überall gleichen Einkaufspassagen meist nur mit dem alliierten Bombardement und der Notwendigkeit schnellen und billigen Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit erklärt wird, zeigen Rundes Verhalten und die dubiosen Machenschaften der Behörden, daß solche Begründungen den Tatbestand verharmlosen. Vielmehr hat die bis in die Gegenwart fortgesetzte Zerstörungswut neben den Kriegsfolgen mindestens vier Gründe: erstens den einförmig anti-individualistischen architektonischen Modernismus, wie ihn vor allem das Bauhaus und Le Corbusiers „Charta von Athen“, gleichsam das Fanal des ästhetischen Stalinismus, repräsentieren, zweitens den ebenso unkultivierten Haß vieler Vertreter von Rundes Generation auf jegliche deutsche Tradition, die als „reaktionär“ und „spießig“ beschnüffelt wird, drittens die mangelnde Transparenz der Behörden und fehlende Beteiligung der Bürger und viertens natürlich die am kurzfristigen Profit orientierte Geldgier.

Die fortschreitende, als Modernisierung verbrämte Verschandelung der Städte hat folglich auch ideologische Gründe: Insbesondere Glasarchitektur, eventuell mit ein paar Zitaten anderer Materialien und Stilrichtungen psotmodern garniert, gilt immer noch als Kennzeichen „weltoffener Urbanität“ und Versinnbildlichung einer transparenten Demokratie.

Auf der Strecke bleibt dabei die zum bloßen Spekulationsobjekt erniedrigte, bereits 1964 von Wolf Jobst Siedler so genannte „gemordete Stadt“. Es bleibt dem abgewählten Bürgermeister zu wünschen, daß er bald einen neuen, seinen Fähigkeiten eher entsprechenderen Beruf ergreift: vielleicht den des Baggerfahrers.


 
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