© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Munition für die Manteltasche
Auf sinnlose Diskussionen gut vorbereitet sein: Das Institut für Staatspolitik hat zwei nützliche Broschüren vorgelegt
Angelika Willig

Haben politische Diskussionen einen Sinn? Wer erinnert sich an einen Streit, der zur Bekehrung des einen oder des anderen Streithahns geführt hätte? Wem wäre schon mal der Gedanke gekommen, er selbst könne im Unrecht sein?

Ob sinnvoll oder eher hoffnungslos, jedenfalls kommt es immer wieder zum politischen Diskurs, am Stammtisch, in der Talk Show, in der Kantine, Mensa oder U-Bahn und sogar bei Omas Achtzigstem. Man hatte eigentlich den Mund halten wollen, wie immer, und nach zehn Minuten ist man, wie immer, mittendrin im Clinch.

Es gibt beim Politisieren grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder handelt es sich um ein vatikanisches Konzil oder um eine Feindberührung. Das Konzil findet unter konspirativen Umständen statt, zum Beispiel im Hinterzimmer einer Gaststätte oder in irgendeinem Burghotel, und die Teilnehmer streiten darüber, ob das „Abenteuerliche Herz“ von 1929 pessimistischer ist oder das von 1938. Die Feindberührung geschieht eher zufällig, es sei denn, einer unternimmt den Schritt in den Parlamentarismus und muß ständig mit Argumenten aufwarten, die nichts voraussetzen. Wo das gemeinsame Fundament fehlt, kann es sich keiner mehr leisten, die eigentlichen Beweggründe anzuführen. Es würde zuviel Zeit und Aufmerksamkeit fordern. Ein Text wird benötigt, der sich leicht einprägt und wie ein Kanonenfeuer auf den Gegner einprasselt, bis das Publikum dem Sieger applaudiert.

Im Unterschied zum theologischen Disput ist der profane ungemütlich. Und, seien wir ehrlich, meist schneiden wir dabei nicht besonders gut ab. Obwohl ja alle Argumente auf unserer Seite sind. Nur fallen sie einem nicht rechtzeitig ein. Gerade weil es so auf der Hand liegt und aus tausend Einzelheiten entgegenspringt, ist man sprachlos. Tatsachen werden bestritten, und natürlich ist keine Statistik zur Hand, um sie zu belegen. Das Churchill-Wort von der gefälschten Statistik kennt jeder, doch ohne Statistik würde einem keiner glauben, daß heute 23 Prozent des Sozialhilfebudgets für die 7 Prozent Ausländer aufgewendet werden, die wir im Land haben.

Solche unverzichtbaren Fakten und Daten finden sich in den Heften der „Wissenschaftlichen Reihe“, die jetzt vom Institut für Staatspolitik herausgegeben werden. Das erste Heft befaßt sich mit „Zuwanderung nach Deutschland“. Ohne graphischen Schnickschnack sieht es absolut professionell aus. Das Titelblatt zeigt einen Blick in die deutsche Volksmenge. Man fängt an, die einzelnen Köpfe nach der Herkunft zu sichten. Es ist gar nicht so einfach. Wer dazugehören soll und wer nicht, ist keine leichte Entscheidung. Allein mit dem Herzen läßt sie sich kaum treffen. Daher warten inzwischen auch Multikulturalisten mit rationalen Argumenten wie Verjüngung der Bevölkerung oder Bereicherung des Marktangebots, sei es an Südfrüchten oder an genügsamen Arbeitskräften, auf. Der Text erweist dies als linksliberale Mythen. Sie setzen nämlich alle voraus, was oft gar nicht angestrebt wird: die vollständige Integration.

Auch das zweite Heft liegt bereits vor: „Der Aufstand der Anständigen. Hintergründe und Erklärungsansätze“. Die Chronik des vom Bundeskanzlers ausgerufenen „Aufstandes“ geht von der Bombe gegen russische Juden in Düsseldorf über den Walser-Bubis-Streit und die Sanktionen gegen Österreich bis zur Tragikomödie von Sebnitz. Hier haben wir alles hübsch beisammen. Was hatte Walser in seiner Rede noch genau gesagt? Wer es braucht, kann es jederzeit nachlesen. Die Statistik wird diesmal kritisch betrachtet: Ein „Anstieg rechtsextremer Gewalt“ läßt sich immer konstatieren, wenn als rechtsextreme Gewalt bereits das Zitieren bestimmter Texte bezeichnet wird.

Die „Wissenschaftliche Reihe“ geht sehr sachlich vor. Von den üblichen Info-Broschüren unterscheidet sie sich vor allem durch die Richtung. Das heißt, es geht hier um Schulung. Da heute jeder seine Lehren unter dem Begriff „Information“ in Umlauf bringt, verschwimmen häufig die Unterschiede. Information ist das, was man bringt, Weltanschauung ist das, was man wegläßt. Man kann Ausländerkriminalität zum Beispiel weglassen (und tut es weitgehend), ohne darum „falsche Informationen“ zu verbreiten. Das Institut für Staatspolitik läßt solche Informationen nicht weg und bezieht dadurch Stellung.

In der Praxis heißt es Vorsicht üben. Wie Elefantenstöße wirken nationale Töne ohnehin. Es genügt, eine kleine Bemerkung so am Rande fallenzulassen, um erstmal zu sehen, was passiert. Es kann passieren, daß ein Antifaschist am Tisch sitzt: der merkt sofort, worauf Sie hinauswollen, rechnet hoch bis auf die bekannte Summe, und Sie sind da, wo Sie nicht hinwollten. Oder es sind alles Unbedarfte, die den Spiegel nacherzählen und beim ersten Einwand aus dem Konzept geraten. Sie sind dann der Spielverderber, der keinen Humor hat und unbedingt über Politik reden will. Kurz: Diskussionen sind sinnlos. Aber man muß immer gut vorbereitet hingehen.

 

In diesem Jahr erscheinen Heft 3 „Nationale Identität“ und Heft 4 „Politische Kampagnen“. Preis je Heft 15 Mark (einschließlich Porto). Zu bestellen per Fax: 012 12 / 5 10 97 27 17. Oder schriftlich beim Institut für Staatspolitik, Postfach 40 02 31, 12631 Berlin.


 
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