© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Gegen militärische Aktionen
China: Die Unterstützung der USA im Kampf gegen den Terrorismus geschieht unter Vorbehalten / Probleme mit muslimischen Uiguren
Rita Baldegger

China wird sich den Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft im Dialog und in der Kooperation zur Bekämpfung aller terroristischen Aktivitäten anschließen.“ Diese Aussage veröffentlichte die Volkszeitung, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, am Abend des 18. Septembers im Anschluß an eine Pressekonferenz des chinesischen Außenministeriums in ihrer Internet-Ausgabe.

Damit schlug sich China auf die Seite der USA, die Außenminister Tang Jiaxuan kurz danach besucht hat. Der nachfolgende Abschnitt machte jedoch deutlich, daß China den USA nicht bedingungslos folgen wird. China werde Angriffe gegen den Terrorismus unterstützen, wenn schlüssige Beweise vorlägen, die Angriffe auf klare Ziele gerichtet seien und unschuldige Zivilisten verschont würden. Zudem sollten sie nach internationalem Recht durchgeführt werden. China pocht auch darauf, daß es vor militärischen Maßnahmen konsultiert wird.

Trotz dieser Einschränkungen hat sich China am vorletzten Dienstag in den staatlichen Medien klarer als bisher für eine Zusammenarbeit mit den USA ausgesprochen. Noch am Vortag hatten ausländische Agenturen einen hohen chinesischen Sicherheitsbeamten mit den Worten zitiert: „Wir sind gegen militärische Aktionen, die unter dem Vorwand des Anti-Terrorismus die staatliche Souveränität anderer verletzen.“ Ohne die USA namentlich zu nennen, bezeichnete der Funktionär Fremdinterventionen als einen der Gründe für den Terrorismus.

China hat von jeher jede Form der Einmischung in Drittländer abgelehnt. Die Ereignisse in den USA zwingen die chinesische Regierung nun, diese Einstellung zu überdenken. Wie schwer sie sich damit tut, verdeutlichen die unterschiedlichen Meldungen. Noch herrscht Ambivalenz in ihrer Haltung gegenüber den USA und möglichen Vergeltungsschlägen vor.

Nach den Terror-Attacken wurde die einheimische Presse angehalten, sich streng an die Fakten zu halten und eine Stellungnahme zu vermeiden. Weder sollten die Terroristen verurteilt noch allzu große Sympathien für die USA gezeigt werden. Damit verschaffte sich die chinesische Regierung einen Handlungsspielraum, je nach der Entwicklung der Lage ihre Politik zu überdenken. Innen- wie außenpolitisch befindet sich China auf einer Gratwanderung.

Die Bevölkerung hat den USA die Nato-Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad 1999 und die Spionageflugzeugaffäre im April dieses Jahres nicht vergeben. Der Nationalismus schlägt hohe Wellen, und anti-amerikanische Gefühle sind keine Seltenheit. „Die USA haben es sich selbst zuzuschreiben“, war ein häufiger Kommentar nach den Anschlägen. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob die Bevölkerung eine Unterstützung von US-Militäraktionen gutheißen würde. Andererseits könnten andere innenpolitische Faktoren die Regierung dazu bringen, ebendies zu tun. Etwa 18 Millionen Muslime leben in der Volksrepublik, meist in den Westregionen. Afghanistan grenzt an die 1,6 Millionen Quadratkilometer große Autonome Region Xinjiang, eine von muslimischen Uiguren bevölkerte Provinz und ein notorischer Unruheherd: 1996 kam es in der Gebietshauptstadt Ürümqi zu schweren Krawallen zwischen Muslimen und den meist mit Han-Chinesen besetzten Behörden. 1997 forderten Gewaltausbrüche in Yining etwa 100 Tote. Auch in den folgenden Jahren gab es immer wieder Proteste, Bombenanschläge und sogar bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen. Bei einem Überfall auf eine chinesische Delegation in Bischkek, der Hauptstadt der Ex-Sowjetrepublik Kirgisien, gab es einen Toten und zwei Verwundete.

Die Taliban unterstützen anti-chinesische militante Uiguren, während Peking manche Führer der Anti-Taliban-Kräfte beherbergt. Die chinesische Regierung reagiert intern mit Zuckerbrot und Peitsche: Sie geht hart gegen Unabhängigkeitsaktivisten vor und stationiert große Truppenaufgebote, führt aber auch wirtschaftliche Fördermaßnahmen durch. Extern hat sie sich auf die Mittel der Diplomatie verlegt. Um die Lage in Xinjiang unter Kontrolle zu halten und eine Förderung der Separatisten zu verhindern, hat China gute Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten gepflegt. Sogar zur Taliban-Regierung soll China Kontakte aufgenommen haben.

Abgesehen von der jahrzehntelangen „Allwetter-Freundschaft“ mit Pakistan (gegen Indien) haben die Anstrengungen auch bei anderen Ländern Früchte getragen. Im Juni unterzeichnete China ein Anti-Terror-Abkommen mit Rußland und den Ex-Sowjetrepubliken Tadschikistan, Kirgisien, Kasachstan und Usbekistan - in den drei letztgenannten Staaten leben ebenfalls Angehörige des Turkvolks der Uiguren. Die noch aus der Stalin-Zeit stammende Grenzziehung in Mittelasien trennt mehrer Völker.

Hinsichtlich des Ziels - der Verhinderung islamistischen Terrors - decken sich die chinesischen und amerikanischen Interessen. Doch während die USA mit Vergeltungsschlägen drohen, hat die Volksrepublik China die Annäherung gesucht und damit erheblichen Einfluß in der unruhigen Region gewonnen. Aufgrund der guten chinesischen Kontakte könnten die USA von einer Zusammenarbeit mit China nur profitieren. Für China wiederum ist die Krise eine Gelegenheit, sich international Profil zu verschaffen und die Beziehungen zu den USA, die in den letzten Jahren einem ständigen Auf und Ab unterlagen, zu festigen. Es ist möglich, daß China als Gegenleistung von den USA mehr Verständnis für seine Tibet- oder auch Xinjiang-Politik verlangt, wie dies eine Bemerkung des Sprechers des chinesischen Außenministeriums bei der Pressekonferenz am 18. September vermuten ließ.

Von diesen Vorteilen abgesehen, könnte die Unterstützung von amerikanischen Militäraktionen gegen Afghanistan für China auch unerwünschte Nebenwirkungen haben, zum Beispiel die Gefährdung der langgehegten Beziehungen zur islamischen Welt oder die verstärkte Radikalisierung der muslimischen Separatisten in Xinjiang.

China hat im Moment viel abzuwägen. Das Beharren auf genügend Beweisen und einem Vorgehen im Rahmen der Uno-Bestimmungen sollte jedoch nicht als reine Verzögerungstaktik abgetan werden. Diese Argumente sind, von welcher Seite sie auch kommen, schlicht und einfach vernünftig.


 
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