© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/01 21. September 2001

 
PRO&CONTRA
Beteiligung Deutschlands am Vergeltungsschlag?
Hans Raidel / Johannes Schnettler

Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Zur Solidarität Deutschlands mit den Vereinigten Staaten gehört auch, daß wir in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus den USA größtmögliche Unterstützung zukommen lassen. Deutschland ist Mitglied des Nato-Bündnisses. Von daher besteht eine natürliche und rechtliche Beistandsverpflichtung. Deutschland hat aber auch moralisch allen Grund dazu, an der Seite der Amerikaner und der freiheitlichen Welt zu stehen. Terroraktionen können uns ebenso wie die USA treffen, davon sind wir nicht frei. Wie sich gezeigt hat, wurden einige Vorbereitungen des Terroranschlages von Deutschland aus getroffen, einige der eingesetzten Terroristen haben zeitweilig sogar hier gelebt.

Ich bin der Meinung, daß die Bundeswehr im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen sollte. Das sind insbesondere Awaks-Aufklärungsflüge, Unterstützung mit Lazarettausrüstungen - auch Behandlung, falls nötig. Wie im Golfkrieg sollte die Bundeswehr erneut logistische Leistungen erbringen wie Transport per Bahn und mit Flugzeugen. Ramstein ist mit der größte Militärflughafen Europas. Von dort aus muß das Material zu den Einsatzorten oder zu amerikanischen Liegenschaften transportiert werden. Dies sind alles Möglichkeiten, die ich mir vorstellen kann.

Kämpfende Truppe: Da bin ich sehr zurückhaltend, und das ist ja wohl auch nicht das Thema. Der Bündnisfall bedeutet, daß Deutschland sich beteiligt, aber selbst auch entscheidet, woran unsere Soldaten teilnehmen.

„Wasch mir den Pelz, aber mach ihn nicht naß“, das geht nicht! Insoweit gebe ich Bundeskanzler Gerhard Schröder recht. Also sollten wir nach dem Nato-Grundsatz „Einer für alle, alle für einen“ handeln. So sind wir im Rahmen unserer Möglichkeiten sicherlich mit dabei.

 

Hans Raidel ist Bundestagsabgeordneter der CSU und Mitglied der Unionsfraktion im Verteidigungsausschuß.

 

 

Nach Tagen der Betroffenheit und Unklarheiten in Folge der Terroranschläge in den USA drohen Besonnenheit und politische Weitsicht verlorenzugehen. Wir beobachten eine Art von Trauer um den Verlust von Sicherheiten und haben Sorge, daß dabei die konkrete Anteilnahme mit den Opfern zu kurz kommt. Es darf nicht sein, daß unsere Sicherheit an Symbolen von Macht und Geld festgemacht wird und Angst in Gewaltbereitschaft umschlägt.

Die Terroranschläge sind ein menschenverachtendes Verbrechen. Die Verbrecher müssen gefunden und nach internationalem Recht bestraft werden. Terror kann nicht mit Krieg beantwortet werden. Wo unschuldige Menschen zu Opfern wurden, dürfen nicht andere unschuldige Menschen zu Opfern der Vergeltung werden. Die Werte der Demokratie, Freiheit und Menschenrechte stehen in der Gefahr, durch militärische Aktionen unterhöhlt zu werden. Die Feststellung eines Bündnisfalles nach Artikel 5 des Nato-Vertrages hilft nicht weiter. Beistand muß im internationalen Rahmen politisch und rechtlich organisiert werden. Wir beobachten, daß die Bekämpfung des Terrorismus die Frage nach dessen Ursachen weitgehend ausklammert. Wo aber die Überwindung von sozialen Ungerechtigkeiten, Verelendung und Armut nicht gelingt, können die dadurch erlebten Demütigungen und Ausgrenzungen zur Begründung terroristischer Handlungen mißbraucht werden. Sicherheit ist heute weniger denn je militärisch möglich, sondern muß vor allem sozial, kulturell, ökonomisch und politisch begriffen werden. Die Sicherheit der Wohlhabenden ist nicht zu erreichen ohne die Existenzsicherung für alle Menschen. Wir appellieren an unsere politisch Verantwortlichen, Mut und Weitsicht zu zeigen und ihren Einfluß geltend zu machen, um die Zuspitzung der weltpolitischen Lage zu entschärfen.

 

Johannes Schnettler ist Vizepräsident der deutschen Sektion von Pax Christi, der Internationalen Katholischen Friedensbewegung.


 
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