© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/01 14. September 2001

 
Duell um die Macht in Sachsen
CDU: Zweikampf um die Führung der Union im Freistaat / Vorentscheidung auch über Biedenkopf-Nachfolge
Paul Leonhard

In der sächsischen Union werden am Sonnabend die Weichen für die Zukunft gestellt. Georg Milbradt kontra Steffen Flath heißt das Duell auf dem Parteitag in Glauchau. Der Ex-Finanzminister und frühere Stadtkämmerer von Münster gegen den amtierenden Umwelt- und Landwirtschaftsminister aus dem Erzgebirge. Ost gegen West. Der geschaßte Minister gegen den Biedenkopf-Favoriten.

Es geht um den Vorsitz der rund 16.300 Mitglieder zählenden Partei, aber auch um die Nachfolge von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Zwar versichert dieser, daß Zeitpunkt und Verfahren der Kürung seines Nachfolgers unabhängig vom Ergebnis der CDU-Vorstandswahl sind. Gleichzeitig gab der 71jährige aber vergangene Woche Gerüchten um einen baldigen Abtritt neue Nahrung: Die Nachfolgemannschaft sollte Gelegenheit bekommen, sich einzuarbeiten und auch „ein Stück zu zeigen, was sie kann“, sagte Biedenkopf. Zur Zeit wird davon ausgegangen, daß der seit elf Jahren an der Spitze des Landes stehende Politiker spätestens ein Jahr vor der Landtagswahl 2004 zurücktritt.

Persönlich sieht Biedenkopf den 44-jährigen Flath als „den geeigneteren Kandidaten“. Dieser könne die Partei besser zusammenführen. Auch für Wirtschaftsminister Kajo Schommer wäre der Kabinettskollege ein Parteichef, der „einigen, statt spalten würde“. Ganz anderer Ansicht ist der Leipziger Parteitagsdelegierte Ansbert Maciejewski. Flath reiße Themen an, die es gar nicht gebe, und er säe neue Zwietracht in der Partei, kritisierte Maciejewski unter Verweis auf einen Brief Flaths an die 250 Parteitagsdelegierten.

In dem Schreiben wird kritisiert, daß sich die hervorragende Entwicklung der sächsischen Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz nicht in besonders guten Wahlergebnisse für die seit 1990 allein regierende Sachsen-Union niederschlägt. Gleichzeitig werden die Kommunalpolitiker aus den ländlichen Regionen aufgefordert, sich verstärkt im Landesvorstand zu verankern.

Flath weiß, wovon er spricht. Als Generalsekretär der Sachsen-CDU hatte er 1999 den Landtagswahlkampf gemanagt, an dessen Ende Biedenkopf mit 56,8 Prozent der Wählerstimmen die absolute Mehrheit einfuhr.

Während Milbradt alle Hebel in Bewegung setzt, um an die Macht zu kommen und dafür wie der Wolf im Märchen „viel Kreide schluckt“ (Schommer), gilt Flath eher als Gemütsmensch, der versucht, für die Menschen wichtige Themen wie Arbeitsplätze und soziale Absicherung in den Mittelpunkt zu rücken. Der studierte Agraringenieur ist nach dem Geschmack all jener Sachsen, die durch die DDR geprägt wurden. Kein Wunder, daß der Erzgebirgler aus Sicht des aus Westdeutschland nach Dresden zugewanderten Politikwissenschaftler Werner Patzelt der „farblosere Kandidat“ ist. Wenn die Partei an ihre bisherigen Wahlerfolge anknüpfen wolle, so Patzelt, müsse Milbradt gewählt werden. Allein dieser sei ein Garant für den Erfolg.

Viele Sachsen wollen überdies lieber „einen der Ihren“ an der Spitze des Freistaates stehen sehen. Das ist nicht unbedingt vernünftig, aber zutreffend. „Nach elf Jahren sollte das einer von uns machen“, wurde Sachsens Europaminister Stanislaw Tillich (CDU) unlängst von der Parteibasis im ostsächsischen Dreiländereck auf Linie eingeschworen. Auch der zweifache Skisprung-Weltmeister und Olympiasieger Jens Weißflog hofft, daß ein Sachse „die Geschicke in die Hand nimmt und weiterführt, was Biedenkopf aufgebaut hat“.

Mit einem CDU-Chef Milbradt (mit Option auf das Amt des Ministerpräsidenten) hoffen Teile der Union, sowohl Biedenkopf brüskieren und als auch die Macht der Staatskanzlei brechen zu können. Sie verkennen dabei, daß einerseits Milbradt am liebsten einen zentralistisch gesteuerten, von oben durchregierten Staat nach dem Vorbild Frankreichs verwirklichen würde, Flath andererseits im Gegensatz zum bisherigen Landesvorsitzenden Fritz Hähle die CDU nicht als „eine Art Biedenkopf-Fanclub“ (Patzelt) sieht. Für die einen ist Flath „nicht reif für das Amt“, für die anderen sind die Sachsen „nicht reif für Milbradt“. Insider halten das Ergebnis des Parteitages für vollkommen offen. Vieles hänge von der Tagesform der Kandidaten ab und ob Biedenkopf Druck ausübt.


 
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