© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/01 07. September 2001

 
Von Fall zu Fall
Kubitscheks Entlassung ruft die Affäre Scotti ins Gedächtnis
Moritz Schwarz

Generalmajor Michael von Scotti, der als Leiter des Personalamtes der Bundeswehr am 16. August die Ablösung des Oberleutnants der Reserve Götz Kubitschek wegen dessen Tätigkeit als Redakteur der JUNGEN FREIHEIT von 1995 bis 1997 verfügte, nimmt am 21. September seinen altersbedingten Abschied. Damit verläßt ein General die Truppe, dem nach Einschätzung vieler seiner Kameraden selbst großes Unrecht widerfahren ist. Im Februar 1998 war der Artillerist, Jahrgang 1941, unter umstrittenen Bedingungen des Kommandos der Panzergrenadierbrigade 13 in Leipzig vorzeitig enthoben worden.

Soldaten seiner Division hatten ein - später als „rechtsradikal“ bezeichnetes - „Spaßvideo“ gedreht, bei dem sie Vergewaltigungen und Hinrichtungen nachgestellt hatten. Wegen dieses skandalösen Vorfalls veranlaßte angeblich der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe von Scottis vorzeitige Ablösung. Scotti, der dies als demütigend empfunden hatte, zumal der Film vor seinem Amtsantritt 1995 gedreht worden war, hatte bei seinem Abschied vor versammelten Gästen die Kommandoübergabe als eine „überstürzte Versetzung“ bezeichnet und schließlich gar von „Verbannung“ gesprochen.

Bereits zuvor hatte von Scotti unterschwellig das schnelle Umschlagen der Sensibilisierung für rechtsradikale Vorfälle auch in der Bundeswehr in eine Art politische Hysterie kritisiert. So berichtete er Anfang 1998, daß manche Rekruten offen fragten, „was sie tun müssen“, um möglichst schnell wieder „rausgeworfen zu werden“. Ebenso hatte von Scotti in seiner Abschiedsrede mit harschen Worten erklärt, zur „Verunsicherung im Offizierkorps“ habe die „Verunglimpfung der Ritterkreuzträger“ und „die nahezu grenzenlose Verdammung der Wehrmachtsangehörigen“ geführt. Bereits bei der vorausgehenden Generalstagung in Köln im Dezember 1997 war es wegen der bekanntgewordenen Entscheidung gegen von Scotti zu offener Kritik unter den Generälen gekommen. Doch da die damaligen Inspekteure des Heeres und der Bundeswehr, Helmut Willmann und Hartmut Bagger, die Entscheidung verteidigten, hatten die Kritiker keine Chance.

Nun ist von Scotti seinerseits Adressat heftiger Beschwerden. Seine Verfügung gegen den Oberleutnant d. R. Kubitschek hat ihm nicht nur die Kritik konservativer und patriotisch gesinnter Soldaten eingebracht, sondern auch eine Beschwerde des betroffenen Reserveoffiziers. „Ich fordere gleichzeitig die völlige Aufhebung des Bescheides und die vollständige Wiederherstellung meiner Ehrenrechte“, so Kubitschek in seiner Eingabe, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. In mehrere Punkten untergliedert fordert er detaillierte Aufklärung über die Vorwürfe gegen ihn.

Unverständlich bleibe, so Kubitschek, die Wertung, durch seine Redakteurstätigkeit bei der JUNGEN FREIHEIT habe er sich „an rechtsextremistischen Bestrebungen beteiligt“. Denn, „die Einordnung der JUNGEN FREIHEIT teilt neben mir auch der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen nicht, der ausdrücklich nur von ’Anhaltspunkten für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen‘ spricht.“ Da der MAD aber offensichtlich „zu einer anderen Bewertung kommt, möchte ich eine Begründung dieser von anderen offiziellen Stellen abweichenden Bewertung“, fordert der Reservesoldat.

Kubitschek erinnert zudem daran, daß die bloße Mitarbeit in der JF „keine rechtsextremistische Bestrebung nachweist. Wenn dem so wäre, müßte auch Interviewpartnern, wie den Generalinspekteuren a. D. Klaus Naumann und Dieter Wellershoff oder dem Autor General a. D. Gerd H. Komossa, von 1977 bis 1980 Chef des MAD ... eine solche Beteiligung vorgeworfen werden.“

Auch inwiefern sein Buch „Raki am Igman“, ein Tatsachenbericht über seinen Einsatz als Sfor-Soldat in Bosnien, zu seiner Einstufung als „Extremist“ beigetragen habe, fordert Kubitschek zu wissen. Habe das Buch doch „in mehreren relevanten Zeitschriften der Bundeswehr gute bis sehr gute Rezensionen erhalten“.

Schließlich erwarte er zu erfahren, „inwiefern die im Grundgesetz garantierten Rechte auf freie Meinungsäußerung und Unantatstbarkeit der Würde für mich keine Geltung besitzen“. Nun wird sich zeigen, ob General von Scotti noch vor seinem Abschied Farbe bekennt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen