© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Kolumne
Unanständig
von Klaus Hornung

Da kam er also, der Anführer aller Anständigen in Deutschland, ins ostsächsische Sebnitz, jene Stadt, die in die rechtsextremistische Ecke zu stellen der Bundeskanzler im vorigen Jahr eifrig mitgeholfen hatte. Eine anständige Entschuldigung sollte es für die Propaganda sein. Doch auch hier konnte Schröder es nicht lassen, von der fortbestehenden rechts-extremen Gefahr zu reden. Zu verlockend bleibt es, das halbe Promille der Glatzen als Faschismuskeule zu instrumentalisieren, von den „Scharnieren“ zwischen Konservativen und Rechtsradikalen und von den „geistigen Brandstiftern“ (Ignaz Bubis) zu faseln. Die kleine rechtsextremistische Minderheit gilt es als Rammbock zu erhalten, um damit die gesamte rechte Hälfte des politischen Spektrums permanent zu diffamieren und aus dem Verfassungsbogen auszugrenzen, die PDS aber drinzuhalten.

Die Suppe der Anständigen soll am Kochen gehalten werden, wie nun auch die traurige Unanständigkeit des „Falles Kubitschek“ zeigt. Die Begründung des famosen MAD-Obristen („Ich mache hier mein Arbeit“) erinnert an überwunden geglaubte Zeiten und zeigt, wie weit es mit der Bundeswehr gekommen ist. Als ob es ein 1933 nie gegeben hätte, segelt man auch hier in staatsbürgerlicher Feigheit und ideologischer Ignoranz in den neototalitären Ideolo-giestaat. Wo ist der Offizier, wo auch der Politiker und Abgeordnete, der deutlich macht, wie hier der vielbeschworene „Staatsbürger in Uniform“ demontiert wird, der „mitdenkende Gehorsam“ der einstigen Inneren Führung durch manipulierbare „antifaschistische Kämpfer“, Anwälte der Political Correctness, nicht etwa „Verfassungsschützer“, ersetzt werden soll.

Das alles sind Tritt- und Bausteine unseres in vollem Gang befindlichen „stillen“ Verfassungswandels von der freiheitlich-demokratischen zur antifaschistisch-demokratischen Ordnung (ebenfalls unrühmlichen Angedenkens).Wir sind die Zeugen eines neuen neototalitären Experiments. Es gibt so manche Ähnlichkeiten, trotz vordergründig gegensätzlichen ideologischenVorzeichens, mit den Jahren 1933/ 34, als die Deutschen in die totalitäre Diktatur hineinschlidderten. Man kann den heute Jungen nur raten, das damalige Experiment als Paradigma so kritisch wie möglich und ohne die heutige Brille der PC zu studieren. Wie heißt es auch immer? „Wehret den Anfängen!“ Historische Einsicht haftet nicht an der Oberfläche, sondern in der Tiefe der Gesellschaft und des Geistes. Die „totalitäre Versuchung“ (François Revel) dauert fort.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung ist Politikwissenschaftler und Präsident der Studienstiftung Weikersheim.


 
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