© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Herausforderung für Hannovers Urgestein
Niedersachsen: Bei der Kommunalwahl am 9. September treten die Parteien ohne Fünf-Prozent-Hürde an
Volker König

Ein Kommunalwahlkampf im Sommerloch, noch dazu in einem ländlich geprägten Flächenland wie Niedersachsen, verspricht nicht unbedingt große Spannung. Doch mit dem Auftritt des ursprünglich designierten hannoverschen CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Clemens Stroetmann in einem Etablissement des Rotlichtmilieus - schließlich schaffen Zuhälter ja auch Arbeitsplätze - so ungefähr das Fettnapf-Credo des Lokalmatadoren, hatten die Lokalmedien ihre Schlagzeile, und es kam Bewegung in den Wahlkampf. Stroetmann, für seine Partei untragbar geworden, wurde flugs gegen die stellvertretende Landtagspräsidentin Rita Pawelski ausgewechselt. Diese verkauft sich nun als Powerfrau, die unter dem Motto „Rita rennt“ dem roten Filz im Rathaus an der Leine den Kampf angesagt hat.

In der Tat ist Rita Pawelski für Herbert Schmalstieg - dienstältester Oberbürgermeister Deutschlands eine gefährlichere Herausforderin als Stroetmann. Vor vier Jahren kandidierte sie schon einmal für das Amt und unterlag während des zweiten Wahlganges dem Amtsinhaber nur um Haaresbreite.

Auch am 9. September könnte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben, und so verwundert es wenig, daß beide großen Parteien ihre Bundesprominenz in den Kommunalwahlkampf einspannen und dem lokalen Urnengang damit auch eine nationale Komponente geben. So nutzte Angela Merkel die Hauptkundgebung der CDU am vorigen Wochenende zu einer gezielten Attacke gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder: Er, der Hannoveraner, sei auf dem besten Wege, sich zum Wegbereiter für eine Regierungsbeteiligung der PDS zu entwickeln, erklärte die CDU-Chefin unter Beifall von 5.000 Anhängern auf dem hannoverschen Opernplatz.

Neben SPD und CDU haben auch Grüne, FDP und PDS Oberbürgermeisterkandidaten in Stellung gebracht. Um die 65 Sitze im Rathaus der niedersächsischen Landeshauptstadt bewerben sich weit über hundert Kandidaten auf den Listen von elf Parteien oder Wählergemeinschaften. Da die niedersächsische Kommunalwahlordnung keine Fünf-Prozent-Hürde kennt, stehen die Chancen für kleinere Parteien, das eine oder andere Mandat zu erobern, nicht schlecht. In dem einen oder anderen Kreistag oder Rathaus kann ihnen unter Umständen sogar die entscheidende Rolle des Züngleins an der Waage zukommen.

Republikaner treten ohne rechte Konkurrenz an

Als einzige rechte Partei treten die Republikaner annähernd flächendeckend in Niedersachsen an. Sie haben in insgesamt 16 Kreisen sowie in 30 Städten oder Gemeinden Listen aufgestellt. Bei der Kommunalwahl 1996 hatten die Republikaner bei einer Kandidatur in weniger Landkreisen landesweit ein Prozent und 15 Mandate erhalten. Insbesondere in Hochburgen wie Wilhelmshaven (4,9 Prozent, zwei Mandate) oder Kreistag Celle (4,8 Prozent, drei Mandate) erhoffen sie sich, ihre Stellung zu halten oder auszubauen.

Im Rahmen der Landeshauptstadt Hannover sind die REP nach dem Parteiwechsel ihres einzigen Ratsherrn Gerhard Wruck zu einer freien Wählergemeinschaft seit zwei Jahren nicht präsent. Die Chancen, in den wilhelminischen Prunkbau der Stadtverwaltung zurückzukehren, stehen allerdings nicht schlecht. In allen hannoverschen Wahlbereichen haben die Republikaner Kandidaten nominiert, und bei einem Stimmenergebnis von ungefähr 1,35 Prozent wäre das erste Mandat sicher. Konkurrenz von rechts hat die Truppe um Landeschef Peter Lauer jedenfalls nicht zu fürchten.

Auch in Hildesheim verloren die Republikaner durch Parteiwechsel ihr einziges Mandat. Der dortige Ex-Ratsherr Pantzier kandidiert diesmal für die Deutsche Zentrumspartei, die sich mit einer offensiven Plakataktion ins Gedächtnis der Bürger der katholischen Bischofsstadt zu rufen bemüht. Ob dem Zentrum der Einzug in den Hildesheimer Kreistag oder Stadtrat glückt, scheint indes fraglich, denn in lediglich sechs von zwölf Wahlbereichen steht die christlich-konservative Partei auf dem Stimmzettel.

Ein Sommerfest am Langenrehm-Denkmal bei Harburg, einer „welfischen“ Gedenkstätte für die Gefallenen des preußisch-hannoverschen Krieges von 1866, bildete am vorigen Wochenende den Höhepunkt des Kommunalwahlkampfes der Deutschen Partei (DP). Die traditionsreiche niedersächsische Heimatpartei, die vor einigen Jahren reaktiviert wurde, konzentriert am 9. September ihre Kräfte auf die Wahl in einer alten Hochburg, dem in der Nordheide gelegenen Landkreis Harburg, wo sie bereits im Kreistag präsent ist und sich gemeinsam mit den Grünen gegen die Umwälzung von Entsorgungsgebühren auf den Bürger stark mache. 14 Kandidaten umfaßt die DP-Liste, der Gewinn von zwei oder drei Mandaten ist das selbstgesteckte Wahlziel.

Auf der linken Seite des politischen Spektrums treten in mehreren Kommunen die PDS und die DKP an. In Hannover stellt sich zudem als Listenverbündeter der PDS eine durch Abspaltung von den Grünen entstandene „Alternative Liste“ zur Wahl, deren Ratsherr Axel Hogh durch homosexuelle Annäherungsversuche an einen Minderjährigen in die Schlagzeilen geriet. In Göttingen bewirbt sich neben der PDS wiederum die Linke Liste Göttingen, die als politischer Arm der Autonomen bereits mit einem Abgeordneten im Stadtrat vertreten ist. Als direkte Provokation für die Antifaszene der Universitätsstadt ist die dortige Kandidatur der NPD zu werten.

Neben diesen Parteien kandidieren in einzelnen Kommunen schließlich auch noch kleinere Gruppen wie die Ökologischen Demokraten (ÖDP), die Grauen und die Partei Bibeltreuer Christen (PBC).

Unter der Vielzahl von Wählervereinigungen ragen schließlich zwei Aussiedlerlisten hervor. In Vechta und in Hannover hat die Wählervereinigung „Deutschland ist unser Vaterland“ eine Liste aufgestellt. Ihr hannoverscher Spitzenkandidat Viktor Kasper, der sich zuvor erfolglos um eine lokale CDU-Karriere bemüht hatte, stellt sich auch noch als Kandidat für das Amt des Regionspräsidenten der im kommenden Jahr entstehenden neuen Gebietseinheit „Region Hannover“. Daß der rußlanddeutsche Polit-Exot dies nicht wird, ist wohl auch die einzige sichere Prognose, die schon vor dem 9. September abzugeben ist.


 
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