© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/01 24. August 2001


Apathie statt Protest
von Matthias Bäkermann

Ho’ mir ma ’ne Flasche Bier!“ - Dieser Aufforderung dürften unserem Medienkanzler im Jahre zwei seiner traditionellen Sommerreise durch die Kolonien kaum noch gutwillige Eingeborene nachkommen. Die an seine letzte Informationstour geknüpften Hoffnungen haben sich allesamt nicht erfüllt. Der sowieso ohne die neuen Länder stattgefundene Aufschwung ist mittlerweile verebbt, und die Arbeitslosenzahlen sind keinen Deut gesunken.

Schlimmer noch ist, daß in weiten Regionen eine kulturelle Verarmung durch Abwanderung stattfindet, die Erinnerungen an die Vorwendezeit der DDR wachruft. Die von Schröder geforderte Flexibilität gerade junger Menschen läßt Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt geradezu ausbluten. Dem können auch medienwirksam eingesetzte Almosen wie an der Greifswalder Ernst-Moritz-Arndt-Universität nicht abhelfen. Da an eine Defilierung vorbei an jubelnden Massen nicht zu denken ist, setzt man die Akzente auf die Einweihung menschenleerer Autobahnabschnitte, wo die ansässige Bevölkerung wegen zu erwartender Proteste Hunderte von Metern dem Geschehen entrückt bleibt. Ist der Kontakt zu den Menschen unumgänglich, bietet sich ein erbärmliches Bild. Die Hände der apathisch umherstehenden Neufünfländer werden vom ebenso apathisch wirkenden Kanzler in seine Richtung gezerrt und verursachen erschrockene Mienen, nicht einmal Eierwerfer raffen sich noch zum Protest auf. An die Reise 2001 in die neuen Länder dürfte statt eines Kneipenschlagers diesmal nur das gequälte Lächeln des Bundeskanzlers erinnern.


 
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