© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/01 10. August 2001


Zündstoff
von Jens Jessen

Rund 2,8 Millionen Sozialhilfeempfänger weist das Statistische Bundesamt aus. Ministerpräsident Koch will den Betroffenen eine Chance geben, wieder aus der Fürsorge des Staates in die Eigenverantwortung zu gelangen. Im Deutschlandfunk erinnerte er letzten Montag an das amerikanische Modell im Bundesstaat Wisconsin. In den letzten zehn Jahren seien durch dieses Modell 97 Prozent der ehemaligen Sozialhilfeempfänger wieder in Lohn und Brot. Dieser Erfolg in einer ganz anders strukturierten Gesellschaft reizt Koch zur Nachahmung.

Allerdings formierte sich ganz schnell eine große Front gegen ein derartiges Ansinnen. Der Städtetag, die Jusos, die SPD, die Grünen , die PDS: alle sind wieder vereint in der Weigerung, etwas zu tun. Die Sozialhilfeempfänger sind politisch unverzichtbar, da sie die emotionalste unserer politischen Lücken repräsentieren: die "Gerechtigkeitslücke". Wenn die Zahl der Hilfeempfänger drastisch zurückginge, wäre das politisch für viele ein Desaster. 65 Prozent aller männlichen Sozialhilfeempfänger zwischen 18 und 24 Jahren sind Ausländer – bei den 25 bis 50 Jahre alten sind es 50 Prozent. Das berichteten die Stuttgarter Nachrichten schon 1999. Die Zeitung berief sich dabei auf ein internes Papier des Bundesgesundheitsministeriums. Das Statistische Bundesamt sieht den Ausländeranteil bei den Sozialhilfebeziehen bei über 22 Prozent. Der Widerstand gegen die Initiative Kochs legt den Verdacht nahe, daß Sozialhilfeempfänger – Deutsche und Ausländer – als Reservearmee zum politischen Zündeln erhalten bleiben sollen.


 
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