© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Meldungen

Vergangenheitspolitik in der Alpenrepublik

WIEN. Ein ganzes Heft widmet die Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (1/01) dem Thema "Vergangenheitsbewältigung". Eindrucksvoll können die Zeithistoriker und Politologen der Alpenrepublik nachweisen, daß sie auf dieser bundesdeutschen Domäne ganz passabel im Plan liegen. Der Salzburger Politikwissenschaftler Gerhard Sandner nimmt die Wehrmachtsausstellung immerhin zum Anlaß, ein Bekenntnis zum "diskursiven Prozeß" abzulegen. Ein einheitliches Geschichtsbild sei weder verordnensbar noch wünschenswert. Der Kampf um die "kulturelle Deutungsmacht" dürfe der Versuchung zu totalisierenden Reduktionen der Geschichtsbilder nicht nachgeben.

 

Kant als Prophet des deutschen Sonderwegs

BADEN-BADEN. Der an der Bundeswehrhochschule in München lehrende Politologe Georg Geismann ist für seine auch das Leserbriefforum nicht scheuenden Interventionen zugunsten des linksliberalen Zeitgeistes eigentlich hinlänglich bekannt. Umso mehr muß es erstaunen, wenn er jetzt in der Zeitschrift für Politikwissenschaft (Heft2/01) gegen den Habermas-Adepten Axel Honneth schwere Geschütze auffährt. Honneth hat eine 1915 erstmals veröffentlichte, 1942 aus aktuellem Anlaß wieder aufgelegte antideutsche Hetzschrift des US-Philosophen John Dewey vor einigen Monaten mit der Empfehlung nochmals ediert, hier werde die Moralphilosophie Kants für die "Mentalität der Deutschen in den beiden Weltkrieg" verantwortlich gemacht. Eine plausible Diagnose, wie Honneth findet – während Geismann die "völlige Haltlosigkeit" der Dewey-Polemik nachweist und sich darüber entrüstet, wie heute ein deutscher Philosoph diesen "Humbug" ohne "kritischen Apparat" auf den Markt bringen kann.

 

Lücken im polnischen Geschichtsbild

BERLIN. Der Höhepunkt der öffentlichen Erregung über den polnischen Antisemitismus, der in den Pogromen von Jedwabne (1941) und Kielce (1946) gipfelte, scheint in polnischen Medien überschritten. Aus dieser sich anbahnenden Distanz läßt Jeremi Sadowski die Debatte der letzten Monate Revue passieren (Auslandsinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung, 6/01).Nur widerstrebend sei man in Polen bis heute bereit, etwa den Mythos von der polnisch-jüdischen Schicksalsgemeinschaft zwischen 1939 und 1944 preiszugeben. Dabei hätten jüngere Forschungen recht drastisch vor Augen geführt, wie ein Teil der polnischen Bevölkerung die Bedrängnis der Juden ausgenutzt und raubend, plündernd sowie vor allem denunzierend "alte Rechnungen" beglichen habe.

 

Explosive Stimmung in Migranten-Ghettos

BONN. Der seit Mitte der neunziger Jahre sich beschleunigende "Prozeß der Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen" gefährde in Frankreich zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Ansicht vertritt der Kölner Soziologe Markus Ottersbach in einer Studie über "Jugendgewalt in Frankreich und in Deutschland (Dokumente. Zeitschrift für die deutsch-französischen Beziehungen, 3/01). Die Pariser Administration habe mit ihrer Integrationspolitik offensichtlich Schiffbruch erlitten, was sich an der "aufgeheizten Stimmung in den französischen Ghettos" gut ablesen lassen. Ottersbach ist jedoch der Ansicht, daß die Situation grundlegend verändert werden könnte, wenn sich unsere gallische Nachbarn entschlössen, am deutschen Wesen zu genesen. Die "politische Partizipation", wie sie Ausländern in der BRD gewährt werde, könne dazu beitragen, "Wut und Gewalt" in den "marginalisierten Orten" der Migranten noch einzudämmen


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen