© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
CD: Pop
Stimmstark
Holger Stürenburg

In den letzten Jahren hatte sich der britische Rockbeau Robert Palmer ziemlich rar gemacht. Keine Tourneen, keine TV-Auftritte, neue CDs gab es kaum noch von dem Mann mit der charismatischen Stimme, von einigen Best-of-Kollektionen abgesehen. Und wenn doch mal ein neues Opus von Robert Palmer erschien, so ging es gnadenlos unter – kommerziell wie künstlerisch. Nach seinem letzten Flop mit dem Album "Rhythm’n’ Blues" ließ sich Palmer auf keine Experimente ein, sondern ging auf Nummer sicher und präsentiert nun ein neues Album, das bei näherem Hinsehen gar nicht so neu ist, sondern direkt aus Palmers besten Zeiten ins neue Jahrtausend gebeamt wurde: den Konzertmitschnitt "Live at the Apollo" (Eagle/Edel).

Aufgenommen kurz vor Weihnachten 1988 als Abschluß einer fast halbjährigen Welttournee, damals angeblich aus Zeitgründen nicht veröffentlicht, bietet "Live at the Apollo" 17 Songs, die jene stilistische Bandbreite des Komponisten und Sängers vor Augen bzw. Ohren führen, für die Palmer einst berühmt war: Es gibt unterkühlten New Wave ("Johnny and Mary", "Looking for Clues"), sauberen Hardrock ("Addicted to Love", "Simply Irresistible"), knochentrockenen Funk ("I didn’t mean to turn you on", "Some like it hot"), nervösen Tanzsaal-Rock ("Hyperactive", "Flesh Wound"), Punk ("Casting a Spell"), Swing- bzw. Barjazz-Anleihen ("Riptide", "Between us") oder afrikanische Juju-Folkrhythmen ("Change his Ways", "Pride"). Hits am laufenden Band also, dargeboten von einer kreativen siebenköpfigen Band, temporeicher, aggressiver eingespielt als bei den Studioversionen, oft nicht so kühl arrangiert. Und über all dem thront die ausdrucksstarke Stimme von Robert Palmer, dem – neben Roxy Music-Chef Bryan Ferry – einzigen Vertreter der Achtziger-Jahre-Gediegenheit, dessen Songs nichts an Aktualität eingebüßt haben – und heutzutage alles andere als peinlich oder altbacken klingen.

Auch der zweite hier vorgestellte Künstler ist vor allem durch seine Stimme bzw. seine Art, klassische Rockmusik zu intonieren, bekannt geworden und feierte seine größten Erfolge in den siebziger und achtziger Jahren: Chris Thompson, seit 1973 Sänger von Manfred Mann’s Earth Band und in dieser Rolle Hauptverantwort-licher für Hits wie "Blinded by the Light", "Davy’s on the Road again" oder "Lies (through the Eighties") – allesamt Rockklassiker, die ohne Thompsons eindringliche Stimme nicht die Hälfte wert gewesen wären. Seit Anfang der 1980er ist Chris Thompson, der seit einigen Jahren nur noch sporadisch mit der Earth Band tourt, auch solistisch aktiv. Mal rockig-hymnisch ("Love and Loneliness", 1986), mal nahe an der Grenze zum Seichten ("The Challenge", 1989), schaffte er es immer wieder, jeder noch so simplen Komposition mit seiner kraftvollen Stimme das gewisse Etwas zu geben.

Gemeinsam mit dem Multi-Instrumentalisten und Texter Mike Slamer hat Chris Thompson 14 Lieder komponiert, die im August auf dem Album "Won’t lie down" bei Eagle/Edel erscheinen. Stand bei Manfred Mann’s Earth Band das Keyboard im Vordergrund, so ist "Won’t lie down" sowohl mit Balladen wie "Like Dust in the Wind" oder "Angel" als auch mit schnellen Bluesrockern der Sorte "Can’t get a hold on Love" oder "Girls kick Ass" ein fast hundertprozentiges Gitarrenalbum – hart, trocken, eingängig. Klassischer Rock, wie er sein sollte. Vorbilder für seine aktuellen Lieder waren, so Thompson, Bad Company, Metallica oder Stevie Ray Vaughan. Deren Einflüsse sind auf "Won’t lie down" auch deutlich zu vernehmen. Die Gitarren dröhnen, das Schlagzeug hämmert, dazu Thompsons Stimme, die den Songs ihren speziellen Charme verleiht. Selbst wenn diesmal keine Hymne für die Ewigkeit dabei ist, sollten Freunde klassischer Rockmusik umgehend zugreifen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen