© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Steuergelder für Parteien sprudeln weiter
Parteienfinanzierung: Die 80 Vorschläge der von Bundespräsident Rau eingesetzten Wedel-Kommission bleiben wirkungslos
Paul Rosen

Berge haben gekreißt, ein Mäuslein wurde geboren: Parteien und eine vom Bundespräsidenten Johannes Rau bestellte Kommission haben Vorschläge für ein neues System der Parteienfinanzierung in Deutschland vorgelegt. Den Pferdefuß der Parlamentarischen Demokratie schaffen sie alle wohlweislich nicht ab: Die Parteien sollen auch in Zukunft von der Finanzierung aus Steuermitteln, über deren Ausgestaltung sie selbst beschließen, abhängig bleiben. Nur das System der Geldverwaltung in den Parteien soll transparenter werden.

Der Versuch, wieder an der Parteifinanzierung herumzubasteln, hat natürlich einen Grund, und der heißt Helmut Kohl. Politischen Großmeistern wie dem Oggersheimer soll es unmöglich gemacht werden, Beträge in Millionenhöhe an den offiziellen Parteikassen vorbeizuschmuggeln. Die von Präsident Johannes Rau eingesetzte Kommission unter Leitung von Hedda von Wedel, der Präsidentin des Bundesrechnungshofes, schlägt sogar die Einführung eines Straftatbestandes der vorsätzlich falschen Rechnungslegung vor. Danach soll bis zu drei Jahre Haft erhalten können, wer Angaben im Rechenschaftsbericht fälscht oder verschleiert. Kohl im Knast? Eine das Vorstellungsvermögen übersteigende Vorstellung.

Die Geschichte der Parteienfinanzierung in Deutschland ist ein Sammelsurium von Skandalen und Skandälchen. Die "politische Landschaftspflege" der Flicks erschütterte die westdeutsche Republik, Kohls anonyme Spenden und Leisler-Kieps Bargeldkoffer lösten eine Staatskrise aus. Geändert haben alle Affären an der Parteienfinanzierung bisher nichts: Zugegeben wurde und wird nur, was gerichtsfest nachgewiesen werden konnte. Die Androhung einer Haftstrafe, wie sie die Wedel-Kommission vorschlägt, dürfte ihre Wirkung verfehlen. Schon Studenten im dritten Semester Jura wissen, wie schwierig es um den Nachweis der "Vorsätzlichkeit" bei dieser Art Delikte bestellt ist: Ein Funktionär hat sich auf den anderen verlassen, und damit ist man schnell im Bereich der Fahrlässigkeit. Und noch immer gilt der alte Grundsatz: Bargeld lacht...

Gewiß, den insgesamt 80 Vorschlägen der Wedel-Kommission ist Edelmut nicht abzusprechen. Um Spenden öffentlicher Banken und Energieversorger zu verhindern, soll diesen Unternehmen verboten werden, Gelder an Parteien zu geben, soweit sie mindestens zu 25 Prozent in Staatsbesitz sind. Aber was ist, wenn der Staat selbst spendet? Wer die kommunalpolitischen Fachzeitschriften der bürgerlichen Parteien durchblättert, wundert sich über die Vielzahl von Anzeigen von Städten und Gemeinden. Auch das ist eine Form der Parteienfinanzierung. Und wenn Rudolf Scharpings Verteidigungsministerium im SPD-Parteiblatt Vorwärts eine Anzeige aufgibt, dann fragen sich sicher nicht nur Vorwärts-Leser nach der Zielgruppe, die Scharping mit dieser Form der Öffentlichkeitsarbeit erreichen will.

Das von der Wedel-Kommission angestrebte Verbot der Finanztransfers zwischen Fraktionen und Parteien besteht schon. Fraktionen dürfen keine Parteiarbeit übernehmen. Doch ist dies in der Praxis nicht durchzuhalten. Kenner der Berliner Szene wissen genau, daß die meiste Arbeit in den Büros der Abgeordneten als Parteiangelegenheit zu bezeichnen ist. Hier eine Trennung verordnen zu wollen, ist so gut wie unmöglich.

Interessanter ist ein anderer Vorschlag der Kommission, die den Parteien die Pflicht auferlegen will, einen Beteiligungsbericht zu veröffentlichen. Damit würden die Bürger erstmals erfahren, welche Firmenimperien sich die Schatzmeister zusammengehäuft haben. Bei der SPD wäre dieser Beteiligungsbericht nicht mehr spannend. Die Presse- und Rundfunkbeteiligung der Sozialdemokraten sind inzwischen bekannt. Auch bei den anderen Beteiligungen der SPD, überwiegend im Immobilienbereich, herrscht Transparenz, auch wenn diese erst durch Presseveröffentlichungen herbeigeführt werden mußte. Nur ein Vorschlag der Wedel-Kommission könnte der SPD weh tun: Quersaldierungen, also die Verrechnung von Dividendeneinnahmen mit Ausgaben, zum Beispiel für den Neubau der Parteizentrale, sollen verboten werden. Auf diese Weise hatte die SPD eine Dividende der ihr gehörenden DDVG-Verlagsgesellschaft im Rechenschaftsbericht neutralisiert, was aber rechtlich völlig in Ordnung war.

Aus dem Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, den Parteien Pressebeteiligungen zu verbieten, spricht der blanke Neid. Die Unionsparteien haben so gut wie kein Vermögen; die CDU hat im Zuge der Parteispendenaffäre alles verloren, die CSU ist traditionell hoch verschuldet. Auch die Liberalen gehen finanziell am Stock. Daher läßt sich auch von Guido Westerwelle gut fordern, Parteien dürften nicht an Zeitungsverlagen beteiligt sein.

In welcher Höhe Vermögen in den wilden Wendezeiten nach der innerdeutschen Währungsunion von DDR-Systemparteien und -organisationen an westdeutschen Rechenschaftspflichten vorbei transferiert sein könnte, bleibt der Phantasie überlassen. Zwar wurden Millionen entdeckt, aber das war vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.

Die Wedel-Kommission meint es gut. Barspenden über 2.000 Mark sollen nicht mehr angenommen werden dürfen. Das Verbot der Barspende ab einer bestimmten Höhe greift spätestens dann nicht, wenn ein betuchter Zeitgenosse einem Abgeordneten etwas Gutes zuteil werden lassen möchte oder ein Lobbyist mit Geldkoffer Wahlkampfhilfe leistet. Abgeordnete müssen keine Bücher über ihre Bürokosten führen. Wenn der Politiker Zigtausende von Kilometern mit dem Pkw durch den Wahlkreis fährt und den Wagen mit Schwarzgeld betankt oder sich bei der abendlichen Vorstandssitzung spendabel zeigt und die Rechnung bar bezahlt, fliegt diese Art Abgeordnetenfinanzierung mit Sicherheit nicht auf.

Somit dürfte der Neuregelung der Parteienfinanzierung ein ähnliches Schicksal beschieden sein wie dem Versuch, die Bestechung von Abgeordneten unter Strafe zu stellen. Jahrelang wurde um die richtigen Formulierungen gestritten. Heraus kam schließlich eine Art Gummiparagraph, der in der Praxis keine Anwendung finden kann. Alles getreu nach dem alten Grundsatz: Es muß was geschehen, aber es darf nichts passieren.


 
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