© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Frisch gepreßt

Selbstdenker. In märchenhaft ferner Zeit, als auch Arbeiter und Angestellte noch dem Trend zum Zweitbuch erlagen, begann der Autodidakt Arno Schmidt im schlesischen Lauban mit der Materialsuche für eine Studie, die nach zwanzigjähriger Sammelei 1958 erschien: "Fouqué und einige seiner Zeitgenossen". Diese Gruppenbiographie über zahllose "Kleinmeister" macht heute noch spielerisch mit dem literarischen Mikrokosmos der deutschen Romantik vertraut. Natürlich reicht es auch für einen ersten Eindruck von Fouqués Hauslehrer August Ludwig Hülsen. Als in Jena der Weltgeist residierte, zählte dieser "Selbstdenker" und Fichte-Schüler zu den Aktivisten im "Bund der freien Männer". Da aber der vollkommene Staat, für den das bündische Leben erziehen sollte, auch 1795 auf sich warten ließ, trat Hülsen die Flucht aufs Land an. Akribisch wie Schmidt rekonstruiert der Regensburger Germanist Ulrich Krämer den Lebensweg dieses, die Romantikkenner von Rudolf Haym bis Walter Benjamin faszinierenden, "seltenen Mannes" ("’...meine Philosophie ist kein Buch‘. August Ludwig Hülsen 1765–1809. Leben und Schreiben eines Selbstdenkers und Symphilosophen der Frühromantik". Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 2001, 383 S., 98 Mark).

Reeder. Wenn wir in dieser Kolumne nach den "Leuchttürmen" und "U-Booten" der vorigen Ausgabe nochmals an die Küste streben, dann nicht, um anzudeuten, daß Deutschlands Zukunft auch künftig auf dem Wasser liegen werde. Vielmehr gilt es ein Buch zu empfehlen, das mehr Aufmerksamkeit verdient hat als jener peinliche Fehlgriff, den sich der sonst mit seiner seltenen Erudition glänzende Eberhard Straub gerade mit seiner Biographie des Großreeders und "Kaiserjuden" Albert Ballin geleistet hat. Hat doch das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven soeben einen – leider dürftig kommentierten – Lebensbericht des jüdischen Reeders Arnold Bernstein (1888–1971) ediert. Diese Anfang der sechziger Jahre abgefaßten, jetzt in einem kleinen Verlag publizierten Memoiren vermitteln ein komplexes Bild von der vielzitierten und verklärten deutsch-jüdischen Symbiose, wie man es in den meisten historisch-soziologischen Deutungsversuchen vergeblich sucht ("Ein jüdischer Reeder. Von Breslau über Hamburg nach New York", Convent Verlag, Hamburg 2001, 463 Seiten, 58 Mark).


 
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