© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Harald Wolf
Der Drahtzieher
von Ronald Gläser

Wir wollen, daß diese Stadt eine rote Zukunft hat." So lautet das politische Credo des Vorsitzenden der Berliner PDS-Fraktion. Mit ihrem Spitzenkandidaten Gregor Gysi haben die gewendeten Kommunisten reelle Chancen, zweitstärkste Kraft und Regierungspartei zu werden. Im Windschatten des beliebten Talkshowgastes Gysi segeln Leute wie Harald Wolf, der bald einem Volksfrontsenat angehören könnte.

Der Mann ist ein Grenzgänger. Geboren ist er in Offenbach, aufgewachsen in Hanau, studiert hat er in Bochum. Sein politisches Engagement begann er unter dem Dach der linksextremen Vereinigten Sozialisten Partei. Anfang der achtziger Jahre zog es ihn nach Berlin, damals ein Zufluchtsort, der vor dem Grundwehrdienst schützte. In diesem Milieu absolvierte Wolf die typische Karriere eines Diplompolitologen: Student, Hilfskraft, Wissenschaftlicher Mitarbeiter – anschließende Arbeitslosigkeit und AL-Mitgliedschaft inklusive. Der Dreitagebart-Träger beherrscht den Soziologen-Slang. Marxismus ist für ihn ein "methodisches Instrument", die DDR hält er für einen "wohlmeinenden Versuch". Bei den Berliner Grünen, damals noch als "Alternative Liste" firmierend, stieg er schnell auf. Den rot-grünen Momper-Senat hat er mit ausgehandelt. Doch noch bevor dieser Senat in die Brüche ging, verließ Wolf die AL wieder.

Als prominenter Vertreter der westdeutschen Linken suchte er unmittelbar nach der Wende Anschluß bei den Genossen der PDS. Die West-PDS wurde zu einem Gravitationszentrum für eine Vielzahl extremistischer Randgruppen: BWK, DKP, KB etc. Es handelt sich zumeist um Polit-Außenseiter, die nie spürbaren Einfluß hatten ausüben können. Wolf ist einer der Überläufer, die in und mit der PDS eine bedeutende Rolle erlangen konnten. In seinem (Ost-)Berliner Wahlkreis Lichtenberg-Hohenschönhausen haben ihn zuletzt 42 Prozent gewählt. In einer Stadt mit 600.000 Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern ziehen seine Forderungen nach stärkerer Umverteilung. Ob er seine Wähler so sehr schätzt wie sie ihn, ist sein kleines Geheimnis. Wenn er im Ostteil der Stadt Vorträge hält, fertigen seine betagten Zuhörer nach guter alter DDR-Manier Protokolle an. Daß er sich wirklich als Vertreter ehemaliger Volkspolizisten, MfS-Spitzel und NVA-Offiziere sieht, ist allerdings kaum glaubhaft. Er wohnt im übrigen auch lieber im Westteil der Stadt.

Als kommunistischer Fraktionschef hat er erfolgreiche Bündnispolitik betrieben. Antifaschistische Aufrufe unterzeichnen mit ihm nicht nur Sozialdemokraten und IG Metaller. Selbst hochrangige konservative CDU-Politiker wie der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses und der Chef der Polizeigewerkschaft oder der Vize-Chef der Hauptstadt-FDP warnen mit ihm gemeinsam vor "rechtsextremen Gewalttätern". Sein größter Coup war der Sturz des Diepgen-Senats, der seit März mit Wieland (Grüne) und Wowereit (SPD) vorbereitet wurde. Die guten Beziehungen aus AL-Zeiten dürften ihm dabei geholfen haben.


 
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