© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001

 
Bewegte Zweisamkeit
Ausstellung: "Bayern – Ungarn. Tausend Jahre" im Passauer Oberhausmuseum
Alexander Barti

Schon der Ort der Ausstellung ist eine Reise wert: die Veste Oberhaus auf dem St. Georgsberg gehört zu den mächtigsten Burganlagen Europas. 1219 begann man mit dem imposanten Bau, nachdem Bischof Ulrich II. 1217 für das Hochstift Passau die Reichsfürstenwürde erhalten hatte. Die Festung, die bald zum Verwaltungs- und Wirtschaftmittelpunkt der Region wurde, sollte Schutz gegen äußere und innerer Feinde bieten. Die Veste Oberhaus wurde im Mittelalter in dem Zeitraum 1250 bis 1482 fünfmal belagert – davon zweimal von den Passauer Bürgern –, aber jedesmal vergeblich: sie blieb unbezwingbar. Durch die Säkularisation im Jahre 1802 verlor der Bischof die weltliche Macht, so daß die Burg ihre Funktion verlor. Ab 1822 wurde Oberhaus zum Staatsgefängnis umgebaut, in dem man auch politische Gefangene verwahrte. Bis 1918 fürchtete man die berühmte "Bastille Bayerns", bis sie 1932 zum Museum umfunktioniert wurde.

"Kreuz und Krone" heißt die erste Abteilung, die den Besucher in einem Gebäudekomplex erwartet. Man tritt ein in einen mit Tüchern behangenen, schummrigen Raum, in dem Lichtquellen auf unterschiedliche Gegenstände gerichtet sind. Die Exponate zeigen Gegenstände aus dem Leben der noch nicht ganz seßhaften und heidnischen Ungarn und den christlichen Missionsbemühungen aus dem Westen. Nachdem den ungarischen Stammesfürsten klar wurde, daß Europa eine heidnische Macht nicht dulden wird, begann man mit der "freiwilligen" Integration: Arpadenfürst Vajk, der spätere Hl. Stefan I., heiratete die Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich des Zänkers, Gisela.

Damit war aber weder der Einfluß des Reiches noch der Friede gesichert, wie in der folgenden Abteilung "Nachbarn, Feinde, Freunde" zu sehen ist. Aus jener Zeit blieb nur weniges für die Nachwelt über, so daß die Ausstellung an dieser Stelle ebenfalls mager bleibt.

Interessanter wird die Zeit des Mittelalters, in der mit "Städte, Märkte, Straßen" die Vielfalt wirtschaftlicher Beziehungen erläutert wird. Besonders interessant ist die Verbindung der Augsburger Fugger mit dem ungarischen Geschlecht der Thurzó, ohne die der Handel nicht in dieser intensiven Form zustande gekommen wäre.

"Ungarns Blüte" verbindet sich mit dem Namen Matthias Corvinus (1458–1490). Der in seiner Zeit in ganz Europa berühmte Renaissance-König schuf eine sagenhafte Bibliothek, die Biblioteca Corviniana, von der man etliche Bände bestaunen kann. Doch der Glanz währte nicht lange, denn nach der Schlacht von Mohács (1526) wird das Königreich in drei Teile zerschlagen und es beginnt "Die Türkenzeit". Zu sehen sind zum Beispiel Tugs, türkische Befehls- und Würdezeichen, Augsburger Schwerter und Goldschmiedekunst. Es wird auch auf die besondere Situation in Siebenbürgen (Erdély) hingewiesen: das Teilgebiet der Krone unterwarf sich den Türken und blieb daher von Zerstörung verschont. Gábor Bethlen, Princeps Transsylvaniae, tat sich als besonderer Förderer der religiösen Toleranz hervor. Nach der Befreiung des Landes von den Türken am Ende des 17. Jahrhunderts fanden die ungarischen Könige aus dem Geschlecht der Habsburger ein zerstörtes und entvölkertes Land vor.

Damit begann die Zeit der "Impopulation", die "Der Donau entlang ..." – so der Name der folgenden Abteilung – in mehreren Wellen ihren Weg nahm. Die Gründe für die Auswanderung waren meist wirtschaftlicher Art: "In Anbetracht meines Nothstandes, und daß ich mich ohnmöglich länger also mehr ehrlich fortbringen und Weib und Kindter ernähren kann" bittet 1725 ein Weber aus dem Bambergischen um die Ausreisegenehmigung. Andere Gründe waren Überbevölkerung, Frondienste und Abgabenlasten, Kriegswirren und Hungerkrisen. In den dünn besiedelten Gegenden zwischen Teiß und Donau hofften viele, nicht zuletzt aufgrund von falschen Versprechungen, auf paradiesische Zustände – einWunschtraum, wie viele gescheiterte Rückkehrer erfahren mußten. Die Ausstellung zeigt Modelle von Donauschiffen, zeitgenössische Bilder und Reiseberichte.

Das 19. Jahrhundert wird überschrieben mit "Im Zeitstrom – Von der Revolution zum Goldenen Zeitalter", in dem leider recht bruchstückhaft die bewegte Zeit der bürgerlichen Revolten dargestellt wird. Das Ringen zwischen klein- und alldeutschen Konzepten fand seinen Widerhall auch in Ungarn: Nachdem Österreich 1866 gegen Preußen eine militärische Niederlage hinnehmen mußte, war man in Wien gezwungen, das "Hinterland" zu befrieden, indem man 1867 mit dem ungarischen Reichsteil den sogenannten Ausgleich herbeiführte. Damit war die kaiserliche (Austria) und königliche (Ungarn) Monarchie geboren. Vertreter der Epoche um 1900 sind Bilder der ungarischen Künstlerkolonie in München (Gyula Benczúr, Pál Szinyei Merse) und diverse Kleidungsstücke der unvermeidlichen Sissi.

Die Abteilung "Stationen im 20. Jahrhundert", mit der die Ausstellung ihr Ende findet, ist bestenfalls eine Skizze der zeitgeschichtlichen Abläufe. Ein Raum ist einfach zu wenig, um den Bogen vom Ersten Weltkrieg zur Wende von 1989 zu schlagen. Zeitgenössische Filmaufnahmen, zum Beispiel über die antisowjetische Revolte 1956, und Plakate regen an, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Oktober im Oberhausmuseum in Passau zu sehen. Info: 08 51 / 4 93 35–12, www.oberhausmuseum.de  


 
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