© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Ernste Komik
Zum Tod von Jack Lemmon
Werner Olles

Das Publikum liebte ihn als Jerry alias "Daphne" an der Seite vom Marilyn Monroe und Tony Curtis in Billy Wilders "Manche mögen’s heiß", als pedantisch-sensiblen Hausmann Felix mit Walter Matthau als ruppig-chaotischem Gegenpart in "Ein seltsames Paar", als Starreporter in "Extrablatt", als rüstigen Witwer auf Freiersfüßen, der seinen um die neue Nachbarin (Ann Margret) konkurrierenden Mitbewohner (Walter Matthau natürlich) aussticht in "Ein verrücktes Paar" und zuletzt in dessen Fortsetzung "Der dritte Frühling", in der Matthau, sein liebster Feind, endlich auch eine Frau abbekommt, die rassige Maria Sophia Coletta Raghetti (Sofia Loren).

Zur Zusammenarbeit mit Walter Matthau kehrte Jack Lemmon immer wieder zurück. Billy Wilder hatte die beiden 1966 in "Der Glückspilz" erstmals gemeinsam eingesetzt und ihnen zu Weltruhm verholfen. Seitdem stand dieses exemplarische Gegensatzpaar in insgesamt acht Filmen gemeinsam vor der Kamera. Lemmons leise Melancholie und skrupulöser Pessimismus ergänzten sich dabei vortrefflich mit Matthaus rabiater Hemmungslosigkeit und Schlampigkeit. Daß sie nach "Buddy, Buddy" eine fast dreizehnjährige Pause einlegten, um dann in den neunziger Jahren als "Ein verrücktes Paar" wiederaufzuerstehen, tat ihrer Freundschaft keinen Abbruch. So klebte denn auch an Lemmons Schreibtischlampe ein Foto von Matthau.

Jack Lemmon wurde am 8. Februar 1925 als John Uhler Lemmon III. in Boston geboren. Aus altem Ostküstenadel stammend, studierte der Sohn eines Dough-nut-Fabrikanten in Harvard, ehe er nach einem kurzen Intermezzo als Radiosprecher und Musiker 1948 nach Hollywood ging. Es dauerte immerhin fünf Jahre, bis er nach zahllosen Soap-Operas und über fünfhundert Fernseh-shows von Columbia Pictures endlich für den Film "entdeckt" wurde. Im Laufe seiner Leinwand-Karriere wurde er mit zwei Oscars ausgezeichnet: 1956 für die beste Nebenrolle als lüsterner junger Offizier in John Fords "Keine Zeit für Heldentum" und 1974 für seine Glanzrolle als verwirrter Geschäftsmann in "Rette den Tiger". Für seine beiden wohl schönsten Filme, die Wilder-Inszenierungen "Manche mögen’s heiß" (1959) und "Das Appartement" (1960) an der Seite Shirley Mac-Laines, mit der er drei Jahre später – wieder unter der Regie Billy Wilders – die frivole Komödie "Das Mädchen Irma La Douce" drehte, wurde Lemmon für den Oscar nominiert. Im Februar 1996 erhielt er bei den Berliner Filmfestspielen den Goldenen Bären für sein Lebenswerk, und im September 2000 wurde ihm der begehrte "Emmy Award" verliehen.

Wie kein zweiter Schauspieler vertrat Lemmon das unauffällige Mittelstandsamerika. Unscheinbar und harmlos bis zum Exzeß, dabei jedoch durchaus vorwitzig, nachdenklich und verletzlich, geriet seine menschliche Komik nie auch nur in die Nähe jener billigen Plattheit, die inzwischen leider die meisten sogenannten "Komödien" bestimmt. "Für einen Schauspieler ist Komik ein sehr ernsthaftes Geschäft", hat er in einem Interview einmal gesagt, und daß er nicht immer großartig gespielt habe, "aber wenigstens hat man mir das Beste angeboten. Und viele Filme oder Stücke – die sind mir besonders wichtig – brachten die Leute zum Nachdenken." Dazu zählte er vor allem den Anti-Atomkraft-Film "Das China-Syndrom" (1978) und Costa Gavras "Vermißt" (1982).

Im Juli vergangenen Jahres starb Lemmons Freund Walter Matthau. Ihm sei, als habe er einen Bruder verloren, hat er damals gesagt. Nun ist Jack Lemmon selbst am 28. Juni im Alter von 76 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Mit ihm starb einer der besten Schauspieler unserer Zeit, ein nachdenklicher Träumer und sensibler Komödiant, wie es ihn nicht noch einmal geben wird.


 
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