© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Föderalismus
Karl Heinzen

Die Neuregelung des Finanzausgleiches zwischen den Bundesländern stellt alle zufrieden, die sich auf ihn verständigt haben. Die Regierungschefs der Geber-Länder dürfen von sich behaupten, ihrer patriotischen Pflicht nachgekommen zu sein, indem sie erstritten, daß aus ihrem Haushalt in Zukunft jeweils ein wenig weniger abgegeben werden muß. Die Kollegen aus den Nehmer-Ländern hingegen können darauf verweisen, daß ihr Etat allen Tendenzen einer als Wettbewerb kaschierten Entsolidarisierung zum Trotz wachsende Zuflüsse erhält.

Möglich wurde dieses haushalts-mathematische Wunder, weil der Bund dort einspringt, wo die statistisch reicheren Länder nicht mehr mitspielen wollten. Finanzpolitische Puristen mögen nun darüber salbadern, daß doch auch Ausgaben des Bundes irgendwie bezahlt werden müssen und ihre Finanzierung so oder so auf eine Belastung der Bürger hinausläuft. Wer so argumentiert, wird aber dem Stand der Beziehungen zwischen den Menschen und ihrem Staat nicht gerecht. Niemand gibt sich der Illusion hin, daß es nicht das Schicksal der steuerzahlenden Massen sein könnte, die Privilegien von Minderheiten zu ermöglichen. Manche mögen aber meinen, es ließe sich Schlimmeres verhüten, indem man einen Keil zwischen jene treibe, die darüber befinden, was den Bürgern zuzumuten sei. Gegen diese Fehleinschätzung ist die Geschlossenheit, zu der der Bund und die Länder gefunden haben, ein angemessenes Signal.

Gerhard Schröder hat also recht, wenn er seine eigene Leistung als Moderator lobt und feststellt, daß der deutsche Föderalismus eine wirkliche Bewährungsprobe bestanden habe. Für unser Land ist dies ein Segen. Der Föderalismus bietet die Möglichkeit, eine Vielgestalt vorzutäuschen, wo die Politik nicht in der Lage ist, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse herzustellen. Ohne ihn, ohne die zahlreichen Ventile subalterner Abgeordnetenversammlungen wäre es nicht so leicht gewesen, der Enttäuschung so vieler Menschen über das Mißlingen der deutschen Einheit ein wenig von ihrer Destruktivität zu nehmen. Die Transferzahlungen von West nach Ost, die der neue Solidarpakt nun bis in das Jahr 2019 garantiert, sind ein angemessenes Schweigegeld, um zu verhindern, daß an der Alleinverantwortung der SED für den Mißerfolg von heute gerüttelt wird.

Daß es der Bund ist, der nun die Länder entlastet, höhlt dabei keineswegs den Föderalismus aus, sondern bietet diesem einen verläßlichen Rahmen. Stärkte man stattdessen nämlich die Eigenverantwortung und den Wettbewerb der 16, so wäre das Ergebnis, daß die per se ihrer klassischen Aufgaben schon weitgehend beraubte "nationalstaatliche" Ebene im Zuge fortschreitender Europäischer Integration mehr und mehr entbehrlich würde. Abseits der Identitätsstiftung und der Verantwortungspolitik hätten die Länder schließlich nur noch mit Brüssel zu tun. Dort jedoch hat man, unbelastet von unserer historischen Erfahrung, ein anderes Verständnis von Föderalismus.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen