© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001


15 Jahre JF
Redaktionsschluß
Dieter Stein

Es ist 19.32 Uhr, Dienstag abend. Redaktionsschluß. Draußen rauscht der Verkehr über den drei Stockwerke tiefer liegenden Hohenzollerndamm. Eben scheucht mit bellenden Befehlen über Lautsprecher ein Polizeiwagen die Fahrzeuge zur Seite, um einer der häufig auf dieser Route eskortierten Konvois von Gästen der Bundesregierung den Weg zu bahnen. Alltag in der Hauptstadt.

Endlich hat das sommerliche Wetter seinen Weg nach Mitteleuropa gefunden. Die Häuserfassaden leuchten im gelben Licht der sinkenden Juni-Sonne. Die Fenster der Redaktion sind geöffnet, ein leichter Luftzug läßt lose Blätter auf Manuskriptstapeln rascheln. Murmelnd unterhält sich ein Redakteur am Telefon, eine Meldung wird noch gegenrecherchiert.

Wie immer: Wir sind spät dran. Heute besonders spät, weil wir eine zehnseitige Sonderbeilage zum 15jährigen Bestehen der JUNGEN FREIHEIT produzieren. Chaotisch geplant, wie immer. Noch heute morgen werfen wir um 9 Uhr den Plan um, erweitern die Zeitung noch einmal um vier Seiten, weil uns die Beilage noch zu schwach erscheint. "Das können wir den Lesern nicht zumuten!" Seitdem rauchen die Köpfe, es wird umgebaut, Bilder eingelesen, umbrochen, Korrektur gelesen. Das ist wie die Jagd zwischen Hase und Igel. Der Redaktionsschluß ist der Igel – er ist stets schneller als wir.

Heute morgen erschien in der taz eine "Würdigung" des 15jährigen Bestehens der JF. "Links die Welt, rechts die Wand". Viele abgedroschene Phrasen werden über unsere Zeitung verbreitet. Hoffentlich gehen wir mit publizistischen Mitbewerbern fairer um, schießt es mir durch den Kopf.

Das Foto, das die taz von mir druckt, ist etwa sechs Jahre alt. Es ist aus einer Serie von Fotos, die der Fotojournalist Dietmar Gust von mir gemacht hat. Es wurde das gewählt, auf dem ich am grimmigsten schaue. Ich erinnere mich zurück, es war im Sommer 1995. Die Zeitung war ständig kurz vor der Pleite. Die Antifa machte Jagd auf uns. Stolz hatte die taz damals erst kurz zuvor das Bekennerschreiben der Terroristen abgedruckt, die den Brandanschlag auf unsere Druckerei in Weimar verübt hatten.

Aber immerhin, sechs Jahre später unterschrieb ein taz-Ressortleiter einen "Appell für die Pressefreiheit", der die JF vor Kontenkündigungen in Schutz nahm.

Es ist ein Jammer, wie ideologisch voreingenommen sich in Deutschland Andersdenkende begegnen. Die JUNGE FREIHEIT will weiterhin ein Sand im Getriebe der Meinungsgleichschaltung sein. Wir wollen weiter anecken. Dabei wollen wir aber auch dem politischen Gegner, dem publizistischen Konkurrenten fair begegnen.

Es ist 19.54 Uhr. Noch sechs Minuten bis zum Redaktionsschluß. Im Hintergrund höre ich das leise Klicken der Tastaturen. Wir werden ihn heute wieder nicht schaffen. Die Druckerei bekommt es zu spüren. Sie, liebe Leser, werden – wie immer – nichts davon merken. Wenn Gott und die Deutsche Post es wollen, haben Sie die JF Donnerstag wieder im Briefkasten.


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