© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001


Wut über den Gräbern
Gedenken: Proteste bei Kranzniederlegung am 17. Juni
Moritz Schwarz

Kurz, aber heftig wallte der Zorn von Teilnehmern des 17. Juni, Stasi-Opfern und empörten Bürgern am vergangenen Sonntagmorgen dem noch keine 24 Stunden im Amt befindlichen Regierenden Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit (SPD) entgegen. Nach der alljährlichen offiziellen Feierstunde am Grab von acht am 17. Juni 1953 von der Roten Armee getöteten Aufständischen auf dem Friedhof Seestraße in Berlin-Wedding empfing ein kleines Häuflein wütender Demonstranten mit Transparenten und Buhrufen den nur wenige Stunden zuvor mit den Stimmen der PDS ins Amt gewählten neuen Bürgermeister. Ohne sich den Vorwürfen der SPD/PDS-Kungelei zu stellen, fuhr Wowereit ab. Unter den Demonstranten auch CDU-Aktivisten und Vertreter von Opferverbänden. Zuvor hatte es in der "Vereinigung 17. Juni 1953" – alljährliche Ehrengäste der Veranstaltung – Uneinigkeit darüber gegeben, ob die Feier mit einem Akt des Protests zu einer Demonstration der Empörung genutzt werden sollte – die sich ausdrücklich nicht gegen die Person Wowereits, wohl aber gegen dessen skrupellosen Weg zur Macht richten sollte. Aus Respekt davor, daß es sich bei der Feiertstunde um ein Totengedenken für die am 17. Juni 1953 getöteten Freunde und Kollegen handelt, hatte man schließlich auf einen Eklat verzichtet. Doch blieben einige Stühle in der Reihe der Veteranen des 17. Juni leer. Aus dem gleichen Grund waren auch die meisten der Demonstranten vor der Friedhofsmauer geblieben. So störten nur vereinzelt bitter-ironisches Gelächter und Unmutsrufe die Rede Wowereits. Immerhin willigte Wowereit ein, die "Vereinigung 17. Juni" zu einem Gespräch zu empfangen. Ebenso sagte die sichtlich peinlich berührte PDS-Landesvorsitzende Petra Pau ein Gespräch zu.

Am Tag zuvor – dem Jahrestag des Beginns des Volksaufstandes, der am 17. Juni seinen Höhepunkt fand – hatte die "Vereinigung 17. Juni" an der Gedenkstätte des 17. Juni in Zehlendorf einen Kranz niedergelegt. Die Vereinigung der "17er" gedachte sowohl der von den Roten Armee getöteten Kameraden als auch der 41 füsilierten Rotarmisten, die den Einsatz gegen die unbewaffneten deutschen Zivilisten verweigert hatten.

Berlins einzige Gedenkstätte (in der Innenstadt existiert lediglich ein Gedenstein) liegt weit abgelegen am Wannsee im Mittelstreifen einer vierspurigen Autobahn. Gerade achtzehn Berliner Bürger fanden den Weg zu der Veranstaltung, darunter der ehemalige Innensenator Heinrich Lummer. Allein die FDP-Bundestagsfraktion hielt es für nötig, einen Vertreter zu entsenden. Der Regierende Bürgermeister sandte einen Kranz. Manfred Plöckinger, selbst "17er" und Vorsitzender der Vereinigung, sowie der katholische Pfarrer von Zehlendorf hielten kurze Ansprachen. "Vaterunser" und "Einigkeit und Recht und Freiheit" beschlossen die Veranstaltung.


 
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