© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001


Haushaltslohn
von Mina Buts

Weniger der Weitsicht unserer Sozialpolitiker als vielmehr der Rechtsprechung unserer höchsten Gerichte ist es zu verdan-ken, daß Familienpolitik in Deutschland momentan Konjunktur hat. Jetzt sorgt der Bundesgerichtshof, den Urteilen mehrere Oberlandesgerichte folgend, dafür, daß auch die von Frauen erbrachten "Dienst- und Fürsorgeleistungen" in der Familie aufgewertet werden: Künftig können geschiedene Ehefrauen mehr Unterhalt bekommen, denn "Haushaltsführung und Kinderbetreuung", so das BGH, tragen zu dem in der Ehe erreichten Lebensstandard bei und müssen daher auch im Fall einer Trennung berücksichtigt werden. Da eine einheitliche Bewertung der Familienarbeit kaum möglich ist, wird für den Unterhaltsanspruch in Zukunft jener Lohn zugrunde gelegt, den die Hausfrau nach der Scheidung erhält oder erhalten könnte. Eigenes Einkommen mindert also nicht mehr automatisch die Unterhaltszahlungen des Ex-Ehemannes, womit für die Frauen endlich ein Anreiz zur Erwerbstätigkeit geschaffen ist.

Es ist erfreulich, daß Familienarbeit erstmals als wirtschaftlicher Wert anerkannt wird – wenn auch nur im Fall einer erfolgreichen Scheidung. Offen bleibt aber die Frage, wie die Benachteiligung jener Frauen, die wegen des Alters oder der Anzahl ihrer Kinder keine Stelle finden, aufgefangen werden soll. Gerade diese hätten aus Mangel an eigenen Verdienstchancen einen höheren Unterhalt am ehesten nötig. Ob die Auswirkungen des Urteilspruchs tatsächlich so "dramatisch" sein werden, wie die Boulevardpresse unterstellt, wird sich erst noch zeigen müssen.


 
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