© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Jürgen Habermas
Chefideologe der BRD
von Jutta Winckler

Auf kaum einen traf und trifft das Wort Günter Maschkes mehr zu, das von Jahrzehnt zu Jahrzehnt plastischer zu sich selbst findende bundesrepublikanische Deutschland lasse sich als "Verschwörung der Flakhelfer" deuten.

1929 wurde Jürgen Habermas in Düsseldorf geboren. Wie kein Zweiter steht der nachmalige Adorno-Schüler und privilegienreiche Frankfurter Philosophie-Professor für die "vorbehaltlose Öffnung Deutschlands nach Westen", für die heteronome Willfährigkeit des hiesigen Sozialreformismus. Bernstein als Marx, Bebel statt Liebknecht und am Ende gar deckungsgleich mit Pentagon-Philosophien: Mit der Parole "Wider den DM-Nationalismus" denunzierte Habermas 1990 in der Zeit die halbherzigen nationalstaatlichen Reorganisationsversuche der Deutschen in Ost und West.

Dem Kalten BRD-Krieger wider Willen war das Bonner Teilstaatssystem zum "zivilgesellschaftlichen" Telos der deutschen Geschichte geworden. Dessen Nomos gebot nicht zuletzt, eine Tochter Rebekka zu nennen, wollte man nicht Gefahr laufen, im "herrschaftsfreien Diskurs" der "transzendental-pragmatisch kommunizierenden Gelehrtenrepublik" gleichsam ausgegrenzt zu werden. Denn sein universalistisches Konsens-Ideal zur diskursiven Produktion und Legitimation aller gesellschaftlich relevanten Normen, sein anthropologische Ernstfälle bockelsohnhaft ignorierender, salonhaft daherparlierter Wahrheitsplural verstand sich seit je auf Rufmord und Diskursverweigerung – von Mohler 1970 über Hans-Christoph Kraus 1997 bis Sloterdijk 2001.

Solch totalitärer Kern trennt den "weltweit erfolgreichen BRD-Exportartikel" weniger vom jakobinisch durchseuchten Geist des adorierten Westens als von deutschen Wissenschaftstraditionen. Freilich hat, sine ira et studio betrachtet, das von Suhrkamps Betriebswirten in bizarrer Vollständigkeit Feilgebotene kaum Chancen auf ein ähnlich ruhmvolles Überdauern, wie es den geschmähten Nietzsche und Heidegger vergönnt ist. Über Habermas, soeben zum Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels erkoren, heißt es in wenigen Jahren: Sankt Jürgen war ein philosophisch ambitionierter Soziologe, ein leftistischer Kulturkämpfer und verschlagener Wissenschaftspolitiker; doch was er schrieb, wird schnell veralten.

Auf Dauer werden sich jene Köpfe als fachlich fruchtbarer erweisen, die Joachim Ritter in Münster um sich versammelt hatte: Nicht Habermas, sondern Luhmann, Schelsky, Lübbe, Willms, Gründer, Marquard und Koselleck wirken als potente Gegner der Frankfurter Schule. An Habermas, dem Dienstleister, freut das hiesige juste milieu, daß er ihm seine folgenlos-kritischen Dauerdiskurse über Ökonomie und Moral "modernisiert". Seiner bornierten "Evidenzverweigerung" (R. Maurer) mag der Byzantinismus der Gegenwart huldigen, den "Rittern" aber gehört die Zukunft des Denkens.


 
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