© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
PRO&CONTRA
Den 17. Juni als Feiertag einführen?
Carl-Wolfgang Holzapfel / Hans-Dieter Schaefer

Abgesehen vom 9. November, der kompakt Höhen und Tiefen deutscher Geschichte dokumentiert, lassen sich gegen die meisten anderen denkbaren Gedenktage gute Argumente vortragen. So zum 3. Oktober: Wohl nie in der Weltgeschichte ist ein solcher Gedenktag "nach Aktenlage" konstruiert worden wie dieser Tag.

Der 17. Juni 1953 hingegen widerlegte vor aller Welt die unheilvolle Mär, die Deutschen trabten jedweder Obrigkeit hinterdrein. Er dokumentiert nach den frischen Erfahrungen mit dem Dritten Reich den freiheitlichen Fundus der geschmähten Deutschen. Der 17. Juni 1953 war der erste Aufstand gegen die kommunistische Tyrannei im Nachkriegs-Europa, wurde zum Fanal für die Aufstände in Polen und Ungarn, später in Prag. Er wurde zur Grundlage der Erosion der kommunistischen Herrschaft. In Polen, in Ungarn, auch in der Tschechei wird dieser Zusammenhang, wird die Bedeutung des 17. Juni auch für Europa anerkannt und gewürdigt.

Deutschland hingegen kreiert einen dubiosen 3. Oktober und versteckt verschämt einen Tag, auf den wir (und erst recht die "Ossis") ohne Wenn und Aber stolz sein dürfen. Geschichte fragt wenig nach Ursachen, registriert eher die Auswirkungen und Ergebnisse. Anders bei der schnell in einen Volksaufstand mündenden Protestaktion vom 16. Juni 1953: Hier bedient sich tendenziell (linke) Geschichtsschreibung und die Politik eher der Ausgangslage: Ein paar unzufriedene Bauarbeiter, na und? Und im Gefolge war die Reaktion der Ulbricht Regierung und der stützenden Sowjet-Besatzung eigentlich folgerichtig. Ergo: Der 17. Juni war nützlich im sogenannten Kalten Krieg. Der ist vorbei. Jetzt brauchen wir diesen Tag nicht mehr. Wirklich? Ich meine, der 17. Juni war, ist und bleibt ein deutscher Gedenktag, dessen Brückenfunktion zu Europa seine große Bedeutung unterstreicht.

 

Carl-Wolfgang Holzapfel ist 2. Vorsitzender der Vereinigung 17. Juni 1953 e. V..

 

 

Feiertage sind ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens. Sie spiegeln einerseits kirchliche Traditionen wider oder sind staatlich festgelegte Gedenktage. Feiertage dienen sowohl der Besinnung als auch der Entspannung und Erholung, insbesondere werden sie gerne für verlängerte Wochenenden, Kurzreisen und andere Aktivitäten mit der Familie genutzt. Unter diesen Voraussetzungen würde bestimmt eine Vielzahl von Bürgern einen Feiertag am 17. Juni begrüßen, der Anlaß wäre für sie sekundär.

Gegen die Einführung des 17. Juni als neuer Feiertag sprechen jedoch ganz gewichtige Argumente. Der 17. Juni war als Tag der deutschen Einheit lange Jahre bis zu seiner Abschaffung gesetzlicher Feiertag in der Bundesrepublik. Heute gedenken wir der deutschen Einheit und damit der Wiedervereinigung, die noch vor 13 Jahren für die Mehrheit der Bürger in den östlichen und westlichen Teilen zu einem so baldigen Zeitpunkt unvorstellbar war, am 3. Oktober. Der heldenhafte Aufstand vom 17. Juni 1953 in Ostberlin und anderen Städten der damaligen DDR, der blutig niedergeschlagen wurde, wird in der deutschen Geschichte unvergessen bleiben. Er bedeutet allerdings nur einen Schritt in dem Prozeß der Wiedervereinigung, der 1990 seinen Abschluß fand und einen eigenen Gedenktag erhielt.

Neben diesen politischen Gründen sprechen massive wirtschaftliche Gründe gegen die Einführung eines neuen Feiertages. Dieser würde eine weitere Standortverschlechterung für die Bundesrepublik insbesondere aus Sicht ausländischer Investoren bedeuten. Nicht verantwortbar sind auch die hohen Kosten, die ein solcher Feiertag für die mittelständische Wirtschaft bedeuten und die Situation zahlreicher Klein- und Mittelbetriebe weiter verschlechtern würde. Zudem gehört Deutschland bezüglich der Zahl der Feiertage mit zu den europäischen Spitzenreitern.

 

Hans-Dieter Schaefer ist Bundesgeschäftsführer des Europaverbandes der Selbständigen (BVD).


 
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