© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/01 08. Juni 2001

 
Schwebend durch Mitteldeutschland
Transrapid: Nach NRW und München fordert auch Sachsen die Magnetschwebebahn / ICE-Strecke weiter fraglich
Paul Leonhard

Schwebt der Transrapid dem nächst bis Dresden und weiter über Prag bis Wien? Wenn es nach Ronald Galle geht, könnte bald schon der Startschuß für das ehrgeizige Unternehmen fallen.

Der Bau des Magnetschwebebahn ist neben der Wiederverstaatlichung von Post und Bahn eines der Ziele des 43-jährigen Fernmeldeingenieurs, der für das Amt des Dresdner Oberbürgermeisters antritt (und als einer der aussichtslosesten Bewerber für den 10. Juni gilt). Aber dank Galle sorgt das Thema Magnetschwebebahn Transrapid in Sachsen wieder für Gesprächsstoff. Da träumen Lokalpolitiker beispielsweise von einer vierspurigen Transrapid-Verbindung zwischen Berlin und Leipzig, und andere wollen Berlin und den Flughafen Dresden-Klotzsche möglichst schnell miteinander verbinden.

Im auch für die Problematik Magnetschwebebahn zuständigen sächsischen Wirtschaftsministerium verfolgt man derartige Träumereien mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Schließlich war es einst Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) höchstpersönlich, der den Bau einer Transrapidstrecke zwischen Hamburg und dem mitteldeutschen Großflughafen Halle-Leipzig und von da weiter nach Prag und Budapest als Vision zeichnete. Inzwischen ist die Vision dem nüchternen Blick auf die Realität gewichen. Im Wirtschaftsministerium hat man alle Hände voll zu tun, nicht auch noch auf dem ICE-Schienenstrang ins Abseits zu geraten. Wenn im derzeitigen Wahlkampf Politiker über Verkehrsanbindungen reden, dann zücken sie meist Fahrpläne aus der Vorkriegszeit und beginnen zu schwärmen, wie schnell man damals mit der Bahn von Görlitz oder Dresden nach Berlin reisen konnte. Derzeit müht sich der Verkehrsminister verzweifelt, die ICE-Trasse Berlin – München durch Sachsen zu führen. Dabei bietet der Freistaat der Bahn an, bis zur Fertigstellung des Leipziger City-Tunnels die Strecke so zu beschleunigen, daß der Weg nach München über Zwickau/Hof nur unwesentlich länger wird als durch den Thüringer Wald. Schommer will nicht nur die Landeshauptstadt Dresden besser anbinden, sondern überhaupt verhindern, das Sachsen "komplett abgekoppelt wird". Gleichzeitig kritisiert der Christdemokrat Pläne, die 200 Millionen Mark, die China für den Bau des Transrapid erhält, aus dem Verkehrsetat zu nehmen, als "kurzsichtig und falsch". Exportförderung dürfe nicht zu Lasten heimischer Verkehrsprojekte gehen.

Einen gezielten Einsatz der Eisenbahn-Infrastrukturmittel in den Ausbau des Leipziger Knotens zu einer Drehscheibe von deutscher und europäischer Bedeutung hatte die SPD-Landtagsfraktion bereits vor mehr als einem Jahr vorgeschlagen. Die Verbindung Hamburg – Berlin sei zu Recht als erfolgversprechendste Referenzstrecke ausgewählt worden, findet Simone Raatz, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Opposition. Und das betriebswirtschaftliche Scheitern des Projektes sei "durchaus ein Verlust für Sachsen", da bei einem Erfolg der Referenzstrecke deren alsbaldige Verlängerung in Richtung Dresden – Prag "sehr wahrscheinlich" gewesen wäre. Eine Wiederbelebung des Transrapid-Projektes auf Biegen oder Brechen habe aber keinen Sinn. Alle bislang in die Öffentlichkeit gelangten Vorschläge würden entweder bezüglich des zu erwartenden Fahrgastaufkommens weit hinter der Strecke Hamburg – Berlin liegen oder seien so kurz, daß die Vorteile der Spitzentechnologie nicht einmal annähernd angedeutet werden könnten: "Wer jedoch den Transrapid einmal kurz beschleunigen und dann sofort wieder abbremsen sehen will, der hat dazu auf der Versuchsstrecke im Emsland eine gute Gelegenheit." Allerdings: Auch die Strecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen "Franz Josef Strauß" ist nur eine Kurzstrecke. Ebenso die geplante Trasse in Nordrhein-Westfalen – hier liegen die Stationen eng beieinander. Dafür wohnen aber doppelt so viele potentielle Fahrgäste an der NRW-Trasse, wie ganz Sachsen Einwohner hat. Skeptisch äußerte sich bereits Anfang vergangenen Jahres Regierungssprecher Michael Sagurna: "Für uns ist der Transrapid beerdigt." Sachsen werde nicht nach einem "Wolkenkuckucksheim" greifen. Man setze nicht auf den Bau einer Transrapidstrecke von Berlin nach Dresden, sondern hoffe statt dessen auf einen zügigen Ausbau der Schienenwege im Freistaat. An dieser Position hält man im Schommer-Ministerium fest. Der Transrapid sei ein schöner Traum, aber eine sächsische Strecke derzeit nicht finanzierbar, so diese Woche ein Ministeriumssprecher. Es gebe wichtigeres. Lediglich die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft kämpft weiterhin für den Bau der Magnetbahntrasse Berlin – Dresden. Übrigens läßt es sich in der Elbestadt auch ohne Transrapid schweben. Seit hundert Jahren verbindet die einzige deutsche Bergschwebebahn den Körnerplatz am Blauen Wunder mit Oberloschwitz. Über ihre Geschichte und die der konventionellen Schwebebahn von Wuppertal berichtet noch bis zum 8. Juli eine Sonderschau im Dresdner Verkehrsmuseum. Ein Kapitel des Ausstellung, die über viele Versuche, Varianten und kuriose Dinge berichtet, ist auch dem Transrapid gewidmet.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen