© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/01 08. Juni 2001

 
Kolumne
Wendespiel
von Peter Sichrovsky

Die Grünen in Österreich haben ein neues Lieblingswort entdeckt: "autoritäre Wende". Damit beschreiben oder kritisieren sie praktisch jede Reform der neuen Regierung und erreichen damit zweierlei: Erstens bleibt es ihnen erspart, die verschiedenen Vorschläge inhaltlich zu kritisieren und brauchbare Alternativen vorzuschlagen. Und zweitens verbirgt sich dahinter der Vorwurf, den Staat werde angeblich von "nicht-autoritär" oder "anti-autoritär" zu "autoritär" gewendet, um die demokratischen Rechte der Bevölkerung einzuschränken.

Eigentlich eine tolle Methode: Ich vertusche damit den eigenen Mangel an Fantasie und Ideen und spiele mich außerdem noch als Verteidiger der Demokratie auf. Doch was wird hier verteidigt? Was ist die zu verteidigende Alternative zur "autoritären Wende"? Die Grünen definieren sich als eine linke Partei. Viele ihrer Anhänger sind nicht aus Umweltschutzorganisationen zu der Partei gestoßen, sondern aus Frustration über den Verlust der linken Wurzeln in der SPÖ. Fast alle dort Aktiven waren früher bei der KPÖ oder SPÖ oder einer der beiden nahestehenden Organisationen.

Im Denken dieser Aktiven galt vor allem der Begriff "anti-autoritär" für eine Erziehungsmethode, bei der die Eltern und Lehrer jeden Einfluß auf die Kinder aufgeben und stillschweigend hoffen, daß sich der Nachwuchs langsam, aber sicher entwickelt. Andere Grüne kommen aus einer links-linken politischen Heimat, für die der Kommunismus eine humanitäre Errungenschaft war, wie sich einst der Grüne EU-Abgeordnete Voggenhuber im Parlament äußerte.

Das Gegenteil zu "autoritär" ist demnach bei den Grünen weit von dem Begriff Demokratie entfernt. Die einen verstehen darunter eine "Laisser-faire"-Handhabung der Regierungsgeschäfte, bei der jeder organisatorische Eingriff in die Gesellschaft gleichgesetzt wird mit der Einschränkung der persönlichen Freiheiten – wie zum Beispiel die Regelung einer Kreuzung mit einer Ampel. Die anderen erinnern sich bei dem Wort "autoritär" wahrscheinlich nur zu gut an diverse linken Diktaturen, die sie einfach nur vergaßen zu verurteilen.

Vielleicht können uns die Grünen einmal erklären, was sie mit der Warnung vor der "autoritären Wende" meinen? Wir können doch nicht immer nur von den Vergangenheiten der einzelnen grünen Politiker ausgehen, um diesen Begriff in die entsprechenden persönlichen Geschichte einzuordnen. Oder sollten wir das alles als Kompliment verstehen, daß nämlich die Reformen der FPÖ/ÖVP-Regierung von Autoritäten verantwortet werden, die der Wende die entsprechenden Professionalität verleihen?

 

Peter Sichrovsky ist Europaabgeordneter und für Außenpolitik zuständiger Generalsekretär der FPÖ.


 
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