© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001

 
Neuer Zeitschriftentyp: Allegra, Glamour, InStyle, GQ, Men‘s Health ...
Das Ich-Marketing
Angelika Willig

Es gibt immer noch Männer, die sich über die Emanzipation der Frau ärgern. Und vielleicht gibt es sogar Frauen, die emanzipiert sind. Aber dann lesen sie keine Frauenzeitschriften. Denn was da angeboten wird, spricht eher für die alte These vom "angeborenen Schwachsinn des Weibes" (Otto Weiniger). Es gibt immer noch die biederen Brigittes mit "tragbarer" (und bezahlbarer) Mode, Tips für den Haushalt und kalorienarmen Rezepten. Gegen dieses "falsche Bewußtsein" war Alice Schwarzer mit ihrer Emma angetreten. Und Brigitte hat ihre Lektion gelernt. Sie wartet inzwischen mit so emanzipierten Themen auf wie Bewerbungsgespräch, Wohnungssuche oder Unfallversicherung. Das reicht vielen Frauen aber nicht. Sie wollen nicht ein geliftetes, sondern ein völlig neues Gesicht, das dann Allegra, Marie Claire oder Cosmopolitan heißt.

Eine ganze Reihe von Titeln ist mit der alten Frauenzeitschrift nicht mehr zu vergleichen. Sie hat aber auch keine Ähnlichkeit mit Emma. Die neue Frau ist nicht klüger, sondern auf ganz neue Art dämlich. Sie betreibt das "Ich-Marketing" als "Erfolgsstrategie". "26 Styling-Geheimnisse" verrät ihr Glamour, damit sie sich möglichst glänzend "selbstinszenieren" kann. "Was kaufen Frauen, wenn Geld keine Rolle spielt?" Immer noch teure Lippenstifte und das "schmale helle Kleid mit Rückendekolleté und Flügelärmeln" – aber nicht mehr für die Männer, sondern nur fürs eigene Image. Sex ist wichtig, aber genauso wichtig ist die Frage: "Wie werde ich den ’Lover‘ nach dem Sex wieder los?" Und das Allerwichtigste: "Bin ich gut im Bett?" Denn nur dann kann ich mich nachher selbst bewundern – was der eigentliche Zweck der Übung ist. Glamour, Allegra, Amica, InStyle u.a. verkünden "die neue Lust auf braune Haut" und "warum Sie auf Ihren Bauch richtig stolz sein können". "Erwecke die Göttin in dir", spricht das Orakel, wo es sich bloß um ein Mittel zur Haarentfernung handelt. "Bringen Sie Ihre Wimpern in Form", und schon drängt wieder die bange Frabe: "Haben andere mehr Spaß im Bett?" Was Frauen heute fordern, ist "Freiheit für die Poren", und wenn sie rufen: "Ich will alles", dann ist mit "alles" die sexy Sandalette und "ein tolles Dekolleté" gemeint.

Für die Cosmo-Frau ist das "Büro" vor allem ein Ort, um die Zeit bis zum nächsten Date mehr oder weniger stilvoll zu verbringen. Was die Frau dort macht, bleibt ziemlich gleichgültig. Ob Rechtsanwältin oder bloß Empfangssekretärin, vor dem Badezimmerspiegel sind beide gleich. Beide können die gleiche Zeitschrift lesen, nämlich eine mit Themen, die "Frauen wirklich interessieren".

Aufgestanden sind einst Frauen gegen den "Sexismus" beim Playboy und beim Stern. Heute machen sie selbst "sexistische" Blätter und messen sich an Maßstäben, die noch strenger (und noch frustrierender) sind als die der Männer.

Aber auch die Männer sind nicht mehr das, was sie mal waren. In Zeitschriften wie Men’s Health, FHM oder GQ (Gentleman’s Quarterly) hat man hohe Ziele: "Strand-Figur bis zum Juli". Die Vision: "am Strand liegen und bewundert werden". Und nicht nur dort: "Im Urlaub haben Männer kurze Hosen an. Grund genug also, sich im Training wirklich Mühe zu geben, Oberschenkel, Waden und Hintern richtig zu bearbeiten". Für die Stadt gibt es "Schuhe, die sagen einfach mehr über deinen Typ. Wer du bist. Was du magst." Und "spezielle Pflegetips" machen den "Alpha-Typen" kenntlich.

Wie die Frauen, so werden auch die Männer zu ihrem eigenen Sexobjekt. Die Schwulen mit ihrer schönheitssüchtigen Liebe zum eigenen Geschlecht sind Vorreiter. "Frauen verführen. 24 Wege ans Ziel", verspricht GQ, aber die Frauen texten ihrerseits: "So klappt die schnelle Verführung". Für keinen ist der andere noch eine echte Herausforderung. Die neue Verführung läßt den Einzelnen für sich selbst entflammen. Um das zu erreichen, tun wir fast alles. In der Psychologie nennt man das "Narzißmus". Im 21. Jahrhundert jedoch ist es nicht länger eine Krankheit, sondern eine Weltanschauung. Es gibt keine andere mehr.

Der "Job" zwar wird bei den Männern immer noch größer geschrieben. Doch auch hier hat sich etwas verändert. Der Mainzer Philosoph und Theologe Rudi Ott verfaßte einen Leitfaden für Manager, in dem von so etwas wie Corporate Identity überhaupt nicht mehr die Rede ist. "Der Schlüssel zum Erfolg liegt in mir selbst", heißt es statt dessen, oder: "Das Selbst ist die entscheidende Instanz in uns", "Der Bezug zum Selbst bedarf genauso des Aufbaus und der Pflege wie die Muskeln des Körpers". Genauso wie der oder die Geliebte wird der berufliche Erfolg zu einer Art Spiegel, in dem ich meine eigene Großartigkeit erblicke. Irgendeine übergeordnete Bedeutung wird der Arbeit nicht mehr zugeschrieben. Statt Pflichtbewußtsein und Verantwortung stellt sich der Märchenglaube der kleinen Verkäuferin ein, die hofft – wie Greta Garbo –, eines Tages in ihrem Hutladen "entdeckt" zu werden. "Wenn man sich traut, seine Träume auszuleben, gibt es keine Grenzen dafür, was man erreichen kann", verkündet ein schöner junger Farbiger. Der Börsengewinn oder der reiche Gönner – einer wird schon für die Erfüllung meiner Träume sorgen.

Infantilismus, Narzißmus und Masochismus nannte Freud als verbreitete Eigenschaften der Frau. Doch statt gesund zu werden, haben die Frauen mit ihrem Infantilismus, Narzissmus und Masochismus nur die Männer angesteckt. Und wenn Nietzsche behauptete, weibliche Macht sei stets ein Zeichen für den Verfall patriarchalischer Kulturen, dann schätzte er die Frauen wieder einmal viel zu gering ein. Sie brauchen keine Männer, um das sogenannte Vernunftwesen zu blamieren – sie machen es ihnen vor.

Neuerdings werden zunehmend Frauen in den Reihen rechtsextremer Gruppierungen beobachtet. Kein Wunder, denn wo kann frau sich ohne aufwendige Wimpernpflege und auch mit ein paar Kilo Übergewicht besser "in Szene setzen" als vor den Kameras nazigeiler Journalisten? Ob freches Skin-Girl mit Bomberjacke oder deutsche Mutter mit Birkenstock an den Füßen und Baldur im Arm, es entsteht eine eigene Welt, die auch dann funktioniert, wenn sich draußen keine revolutionären Veränderungen abspielen. Wie Beruf und Liebe wird auch die Politik zur Selbstbespiegelung. Nicht das Ziel ist entscheidend, sondern der Spaß. Eine rechte Frauenzeitschrift fehlt dementsprechend: www.storchennest.online.de  schlägt noch nicht mal Bild der Frau.


 
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