© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001

 
BLICK NACH OSTEN
Renaissance der Monarchen
Carl Gustaf Ströhm

Nach der Messe, die in der Basilika des Wallfahrtsortes Mariazell in der Steiermark von einem ungarischem Erzabt und einem kroatischen Bischof zelebriert wurde, erklang die Haydn-Melodie, welche die Deutschen als Deutschlandlied bezeichnen, die aber ursprünglich die österreichische Kaiserhymne ist: das "Gott erhalte". Otto von Habsburg, Sohn des letzten Kaisers, feierte mit seiner Gemahlin Regina, einer gebürtigen Prinzessin von Sachsen-Meiningen, die goldene Hochzeit.

Die Kinder des Jubelpaares sprachen Fürbitten in fast allen Sprachen der k.u.k.-Monarchie: auf ungarisch, slowakisch, kroatisch, spanisch – und natürlich deutsch. Draußen waren Traditionsverbände der k.u.k.-Armee aufmarschiert – und die österreichische Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ) adressierte in ihrer Grußbotschaft Otto von Habsburg als "Kaiserliche Hoheit". Tausende von Schaulustigen applaudierten dem Paar. Der Jubilar sprach in seinen Dankesworten von der Zukunft, der die Europäer mit Gottes Hilfe optimistisch entgegensehen könnten. Auf Erzherzog Otto trifft zu, was jemand einst von de Gaulle sagte: Er sei zwar in gewisser Weise ein Mann von vorgestern, aber zugleich in noch viel stärkerem Maße – ein Mann von übermorgen.

Nicht nur in Mariazell zeigt sich dieser Tage, daß gekrönte oder "krönungsverdächtige" Häupter plötzlich wieder hoch im Kurs stehen – besonders in Mitteleuropa. In Bulgarien genießt der letzte bulgarische Zar Simeon II. heute wieder ungeahnte Popularität im Volk. Die Kommunisten hatten ihn am Ende des Zweiten Weltkrieges als Kind aus dem Lande gejagt – nachdem sie seinen Onkel, den Regenten, umgebracht hatten. Als Simeon, der inzwischen als Geschäftsmann in Spanien zu Vermögen gekommen ist, neulich während eines Bulgarien-Aufenthalts an einer Tankstelle stehenblieb, erkannten ihn einige bulgarische Halbstarke und quatschten ihn ungekümmert an: "Hej, König, Dich würden wir gerne wählen, denn du bist so reich, daß du es nicht notwendig hast, das Volk zu bestehlen". Am 17. Juni, dem Wahltag, hat seine Partei beste Chancen.

In diesen vielleicht ziemlich frechen Worten spiegelt sich die heutige Tragödie Bulgariens und anderer "Ostvölker": Nach 45 Jahren kommunistischer Unterdrückung und einem Jahrzehnt chaotischer Demokratie sowie einer oft brutal kapitalistischen Marktwirtschaft sind die Menschen tief enttäuscht – auch vom westlichen System, das sie übernehmen mußten und das ihnen nicht den ersehnten Wohlstand, sondern Armut, Korruption und Mißwirtschaft bescherte. Das Vertrauen in die demokratischen Politiker ging verloren – und da taucht plötzlich der einstige Monarch auf. Vielleicht wird er unparteiisch und gerecht sein, nicht in die eigene Tasche wirtschaften? Vielleicht wird er ein Herz für das einfache Volk haben?

Im benachbarten Rumänien hat die Regierung dem gleichfalls seinerzeit von der KP aus dem Lande gejagten König Michael aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen den Bukarester Elisabeta-Palast überlassen. Präsident Ion Iliescu (ein Ex-Kommunist) lud den Ex-König sogar zum Abendessen ins Präsidentenpalais. Noch vor wenigen Jahren hatte Iliescu dem Monarchen, der in der Schweiz lebt, die Rückkehr verboten. Wenn Michael jetzt wieder hoch im Kurs steht, so hat das einen spezifischen Grund: In Bukarest fürchtet man, daß Moldawien (bis 1945 rumänisch) und die Ukraine wieder unter Moskauer Kontrolle fallen könnten. Dann stünden russische Truppen wieder am Grenzfluß Pruth. "So wie einst, vor dem 22. Juni 1941", warnte ein Rumäne.


 
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