© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001

 
Das Netzwerk des Verfassungsschutzes
Thüringen: Spitzelaffäre bringt CDU in Bedrängnis/Rücktritt Köckerts gefordert/Tino Brandt unter Druck
Thorsten Thaler

In der Spitzelaffäre um den ehemaligen Vize-Landeschef der NPD in Thüringen, Tino Brandt, der bis Mai dieses Jahres für den Verfassungsschutz gearbeitet hat (JF 22/00), hat die NPD jetzt darauf hingewiesen, daß von Brandt kein Geld in die Parteikassen geflossen ist. "Weder sein eigener Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt noch der Landesverband Thüringen erhielten auch nur eine einzige Mark aus dem Salär", heißt es in einer Erklärung des Pressesprechers Ralf Wohlleben. Erst recht treffe das auf die Bundespartei zu.

Zuvor hatte Tino Brandt in einem ZDF-Interview eingeräumt, daß er das Geld des Verfassungsschutzes – eine sechsstellige Summe – für seine politische Arbeit verwendet habe. Brandt war einer der Wortführer des "Thüringer Heimatschutzes". In seinem Jahresbericht für 2000 attestiert der Verfassungsschutz den Anhängern dieses Zusammenschlusses "vermehrt offengelegtes national-sozialistisches Gedankengut". Im ZDF bestätigte Brandt, daß der Verfassungsschutz durch die Zahlungen an ihn den Aufbau des Thüringer Heimatschutzes "mitfinanziert" habe. Die Gelder seien "mit Sicherheit in den Aufbau unserer Internet-Seite mit geflossen, die sind mit Sicherheit für Rudolf-Heß-Aktionen geflossen", sagte Brandt. Auf die Frage, wem gegenüber er denn loyal gewesen sei, dem Landesinnenministerium oder der politischen Arbeit des Thüringer Heimatschutzes, antwortete Brandt: "Ich habe mich natürlich der politischen Arbeit verpflichtet gefühlt, die ich selber gemacht habe."

Das thüringische Landesamt für Verfassungsschutz wertete diese Aussagen als Schutzbehauptung. Brandt scheine nach seiner Enttarnung "unter hohem Rechtfertigungsdruck innerhalb der rechtsextremistischen Szene zu stehen", sagte der Sprecher des Landesamtes, Joachim Werneburg. Weil die NPD mitgeteilt habe, daß von dem fraglichen Geld "auch nicht eine einzige Mark in Parteikassen geflossen" sei, so der Verfassungsschutz, dürfte der Einsatz solcher Gelder für den "Thüringer Heimatschutz" damit ebenfalls als sehr unwahrscheinlich gelten.

Inzwischen hat der thüringische SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie den Rücktritt von Landesinnenminister Christian Köckert (CDU) gefordert. Die Verfassungsschutzaffäre habe dem Land schweren Schaden zugefügt, sagte Matschie der Thüringer Allgemeinen. Ministerpräsident Bernhard Vogel müsse Köckert entlassen, doch er habe offenbar nach der Krise der CDU im Nachbarland Sachsen Angst, irgend etwas zu entscheiden. Er sei "fast panisch um Stabilität bemüht", denn eine Entlassung Köckerts "könnte eine komplette Regierungsumbildung nach sich ziehen, und am Ende stünde dann vielleicht Vogel selbst in Frage", sagte Matschie. Und CDU-Landeschef Dieter Althaus sei "ein Vorsitzender von Vogels Gnaden", der nicht entscheiden könne und dürfe. Thüringen sei dabei, seinen Ruf zu verspielen, warnte der SPD-Landeschef.

Einen personellen Neuaufbau des Verfassungsschutzes in Thüringen verlangt der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Erfurter Landtag, Heiko Gentzel. Innenminister Köckert müsse seine Aufklärungsblockade schnellstens beenden. Es gehe längst nicht mehr nur um den Fall Brandt, sondern um den unverantwortlichen Informationsabfluß aus dem Thüringer Verfassungsschutz. Die Behörde müsse neu aufgebaut werden, auch personell. Weil Köckert offensichtlich dazu nicht in der Lage sei, müsse Ministerpräsident Vogel endlich eingreifen, forderte Gentzel.

In der NPD werden die parteipolitischen Auseinandersetzungen um die Spitzelaffäre süffisant registriert. "Die Absicht des Thüringer Verfassungsschutzes, die NPD und die nationale Szene in Thüringen durch den Einsatz von Spitzeln auszuspähen und zu verunsichern, ist zumindest in diesem Fall gründlich daneben gegangen", sagte der NPD-Landesvorsitzende Frank Schwerdt. Jetzt stünden Innenminister Köckert und sein Amtschef Sippel als die Blamierten da. In dem Eifer, die nationale Opposition mit Hilfe von Spitzeln zu bekämpfen, seien beide offenbar über die eigenen Füße gestolpert. Festzustellen bleibe jedenfalls, so Schwerdt, "daß in dieser Sache nicht die NPD, sondern die Spitze der Thüringer Politik und deren Schnüffelbehörde den Schaden hat".

Schwerdt, der zugleich Bundesgeschäftsführer seiner Partei ist, kündigte an, zielstrebig die politische Arbeit fortzusetzen. Im Juli dieses Jahres will die NPD auf einem Landesparteitag ihre Kandidaten für die Landesliste zur Bundestagswahl 2002 wählen.


 
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