© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001

 
Der amerikanische Feind
US-Außenpolitik bleibt auch unter George W. Bush imperialistisch
Alain de Benoist

Kaum fünf Monate nach seinem Amtsantritt sind die weltanschaulichen Koordinaten des neuen US-Präsidenten deutlich genug. In der Außenpolitik hatte man von ihm eine Rückkehr zum Isolationismus erwartet – statt dessen verhärtete George W. Bush noch die Fronten, die die Diplomatie seines Vorgängers gezogen hatte. Seit seinem Einzug ins Weiße Haus hat er den Irak bombardiert – aus keinem ersichtlichen Grund als dem, Israel seine Unterstützung zu signalisieren – und sich für die Beibehaltung einer Blockade entschieden, die schon über eine Million Menschenleben gekostet hat.

Im Nahen Osten hat Bush sein Veto gegen die Entsendung einer internationalen Beobachtertruppe in die Palästinensergebiete ausgesprochen, wo die israelische Repression bislang mehr als 500 Menschen getötet hat. Gemeinsam mit Ariel Scharon bemüht er sich um eine Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Dies käme einer Anerkennung der israelischen Annexion ganz Jerusalems im Jahre 1967 gleich und widerspräche somit sämtlichen Uno-Beschlüssen. Als Ausgleich für diese bedingungslose Unterstützung Israels leistet Bush den Islamisten in Pakistan Hilfestellung und unterstützt diskret die Terroristen der UÇK in Mazedonien und im Kosovo.

Vor allem aber hat Bush zu einem Zeitpunkt, als er sich anschickt, die akute Energieknappheit seines Landes durch den Bau neuer Atomkraftwerke zu lösen – für die nächsten zwanzig Jahre rechnet man mit 65 neuen Anlagen pro Jahr –, die Verwirklichung des Raketenabwehrsystems MDS angekündigt. Unter finanziellen Gesichtspunkten ist dies ein wahnwitziges Vorhaben – seine Kosten werden auf 240 bis 400 Milliarden Dollar geschätzt –, das aber eindeutig zu Angriffs- ebenso wie zu Verteidigungszwecken nutzbar wäre, denn Raketenabwehrsysteme lassen sich auch zum Schutz amerikanischer Truppen – egal, auf welchem Kriegsschauplatz – einsetzen.

Die Einrichtung einer solchen Maginot-Linie im All stellt eine bewußte Verletzung einer ganzen Reihe weltweiter Abrüstungs- und Stabilitätsabkommen dar.

Das MDS-Projekt wird offiziell als Maßnahme gegen die Bedrohung durch sogenannte "Schurkenstaaten" (rogue states) ausgewiesen, denen es in Wirklichkeit so gut wie unmöglich ist, amerikanisches Territorium anzugreifen. Statt dessen geht es Bush darum, ein für allemal Washingtons Rolle als einzige Weltmacht sicherzustellen, ohne dabei besondere Rücksicht auf die "internationale Gemeinschaft" oder gar die Verbündeten der USA zu nehmen. Während Ronald Reagan mit seinem "Krieg der Sterne" den Kalten Krieg gewinnen wollte, will Bush im Zeitalter der Globalisierung gewährleisten, daß die USA auf der Erde wie im Weltraum die Vorherrschaft behalten.

Es geht aber auch darum, durch ein riesiges Forschungs- und Entwicklungsprogramm die immer enger werdende Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Unternehmen im Bereich der Information, der Elektronik und der Kommunikation zu begünstigen. Und es geht darum, die Kluft zwischen den USA und den europäischen Staaten, die sich weigern, als Subunternehmer an diesem Programm mitzuarbeiten, weiter zu vertiefen und diejenigen Forschungszentren, die diese Rolle akzeptieren – vor allem englische und deutsche – vollständig unter amerikanische Kontrolle zu bringen. Alle diese Ziele befinden sich im völligen Einklang mit den Ambitionen des militärisch-industriellen Komplexes, der mit Gordon England von General Dynamics und James Roche von Northrop Grumman gerade zwei Vertreter der bedeutendsten US-Rüstungsfirmen in Schlüsselpositionen der Streitkräfte unterbringen konnte. Währenddessen spioniert das amerikanische Satellitensystem "Echelon" weiterhin die Kommunikationen der Europäer aus.

George W. Bush scheint entschlossen, in jeder Hinsicht eigene Wege zu gehen. So hat der amerikanische Präsident im Alleingang entschieden, von Kohlendioxid-Kontrollen abzusehen. Seine Weigerung, das Klimaschutz-Protokoll von Kyoto zu unterzeichnen, begründet er mit dem "schweren Schaden", den die Vertragsbestimmungen der amerikanischen Wirtschaft zufügen würden. Die Vereinigten Staaten, die fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, sind für fast ein Drittel aller Emissionen verantwortlich, die den Treibhauseffekt verursachen. In der Disziplin Umweltverschmutzung halten sie nach wie vor den Weltrekord. Als nächstes könnte er sich der Unterzeichnung des vor sechs Jahren in Genf ausgehandelten Protokoll zum Herstellungsverbot biologischer Waffen widersetzen.

Mit dieser Politik bekräftigt der neue Präsident seine Loyalität gegenüber den Wirtschaftskreisen, die seinen Wahlkampf finanziert haben, und sichert sich die fortwährende Unterstützung zweier mächtiger Interessensvertretungen: der Erdöllobby, in der Regierung verkörpert durch den Vize-Präsidenten Dick Cheney und den Handelsminister Donald L. Evans, und des militärisch-industriellen Komplexes, den der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und die Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice repräsentieren. Der Grundgedanke der texanischen Geschäftsleute, die derzeit die Korridore der Macht in Washington besetzen, besagt, daß Außenpolitik sich auf Handel und Krieg reduziert und die Verteidigung amerikanischer Wirtschaftsinteressen das beste Mittel ist, weltweit "die Demokratie voranzubringen". Dieser Weltsicht ist imperialistisch und "globalitär". Und sie gedeiht an der Schwäche, der Feigheit und der zur Gewohnheit gewordenen Unterwerfung der "Verbündeten" in Europa.


 
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