© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/01 25. Mai 2001

 
Stapfender Trottel
Kino III: "Jesus’ Son" von Alison Maclean
Claus-M. Wolfschlag

Da ist der ein bißchen liebenswerte Kerl: "Fuckhead" (Billy Crudup) wird er einmal geschimpft, unbeholfen naiv stapft er durch das Junkie-Milieu im amerikanischen Mittelwesten der siebziger Jahre. Also gut, da ist ein wenig Drama: "Fuckhead" ist ein Versager, baut einmal einen Autounfall, bekommt einmal Ärger mit dem Liebhaber eines von ihm umgarnten Mädchens, zerdrückt einmal einige Kaninchenjunge. Kein Glückspilz also, doch wer ist das schon? Ansonsten zieht er mit stumpfsinnigen Gestalten ziellos in der Gegend herum, deren einzige Energie in regelmäßigen Alkohol- und Drogenexzessen aufgeht. Irgendwann wird er dann durch den Tod seiner Freundin geläutert und arbeitet als Krankenpfleger in einer psychiatrischen Anstalt, einer Zuflucht für die Gestrandeten der Gesellschaft. Das Hin- und Hergedüse dazwischen verdient kaum die Bezeichnung "Roadmovie", schon gar nicht die der "Odyssee", die das Presseheft verspricht. Alles dreht sich nur um das Herumschlurfen eines ausdruckslosen jungen Mannes ohne Ziele.

Das Drehbuch basiert auf Kurzgeschichten von Denis Johnson, die Regisseurin Alison Maclean ("Crush") sofort begeisterten: "Ich interessiere mich für Wandlungen und Ereignisse oder Umstände, die Veränderungen mit sich bringen und einen erneuern. Ich habe das Buch gelesen und fand es sofort großartig. Ich mochte die Art, wie Johnson auch in ziemlich erbärmlichen Situationen und unter Leuten, die Loser, total kaputt, verkommen und durcheinander sind, noch so etwas wie Würde und Anmut findet. Seine Geschichten überraschen, und sie sind ziemlich komisch."

Doch was will uns die 42jährige Neuseeländerin mit Wohnsitz in New York. bei ihrer Umsetzung dieser Geschichten mitteilen? Daß Drogenkonsum zu keinem guten Ende führt? Daß auch "Fuckhead" wie jeder in seinem Leben Krisen und Wandlungsprozesse mitmacht? Daß man auch in blödes Gequatsche irgendeinen tiefgehenden Sinn hineininterpretieren kann? Oder daß der amerikanische Mittelwesten außer Trinkhallen, schäbigen Motels und sterilen Fertighaussiedlungen nicht viel zu bieten hat?

Die gähnende Langeweile, die sich zunehmend um "Fuckhead" und seinen unspektakulären Weg durch Ekel und Ödnis breitmacht, kann Maclean auch nicht durch ihr bemüht kunstvolles Springen zwischen den Genres verhindern. Die dramatische Spannung einiger tragischer Szenen wird durch die – bis auf "Fuckheads" Freundin Michelle (Samantha Morton) – durchweg ausdruckslosen Figuren gelähmt. Die Slapstick-Einlagen, wie die des Mannes, der sich in der Unfallaufnahme meldet, während das Messer seiner streitsüchtigen Frau noch in seinem Auge steckt, erscheinen arg konstruiert, zu grotesk, um die weitere Ernsthaftigkeit des Geschehens sichern zu können. Hinzu kommt noch etwas christlicher Kitsch als nostalgisches Alibi in einer entweihten Welt.Manchmal sollte man sich 110 lange Kino-Minuten sparen, lieber auf das eigene Leben und das der Mitmenschen schauen.


 
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