© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Explosionen im Grotesken
Ephraim Kishon: "Wer‘s glaubt, wird selig – Politische Satiren"
Carola Marcella Hoehne

Die Welt ist ein Narrenhaus. Das führt uns seit Jahren niemand so überzeugend und vergnüglich vor Augen wie Ephraim Kishon, ein Meister warmherziger Satire. Auch in seinem neuen Buch "Wer’s glaubt, wird selig – Politische Satiren" behandelt er das, was wir ständig selbst erleben, – um zu überleben, so genau aber gar nicht wissen wollen: den alltäglichen Wahnsinn, unter dem jeder leidet, an dem aber jeder mitwirkt. Ob Opfer oder Täter, ist allein eine Frage der Situation und Perspektive.

Nach dem modernen Kunstbetrieb ("Picassos süße Rache") und den Medizinern ("Hausapotheke für Gesunde") hat sich der in Ungarn geborene Jude mit Wohnsitzen in der Schweiz und Israel diesmal auf die wahren Schuldigen an dem Kafkaesken in unserer Gesellschaft eingeschossen: die Politiker und ihr Metier. Ein Thema, das uns in Atem hält, "seit der erste Stammeshäuptling in einer Steinhöhle einem frechen Kerl den Schädel einschlug, ohne zu ahnen, daß er soeben eine Krise zwischen Regierung und Opposition friedlich gelöst hat."

Stellvertretend für uns alle nimmt Kishon die Position des ohnmächtigen Bürgers ein und erleidet unsere Niederlagen. Welch eine Wonne, endlich einen Gesinnungs- und Leidensgenossen zu haben! Welch eine Wohltat, endlich mit jemandem gemeinsam das Los der Entmündigung und Rechtlosigkeit beklagen zu können! Welch eine Genugtuung, daß endlich jemand die längst fällige Kardinalfrage stellt, ob die Mittelmäßigkeit in der Politik nicht eigentlich verfassungswidrig ist!

Offenbar steckt so viel Allgemeingültiges im menschlichen Treiben, daß man oft nicht recht weiß, ob Kishon, der seine Bücher übrigens selbst so brillant ins Deutsche übersetzt, israelische oder deutsche Zustände karikiert. Oder sollte es an Ende gar hier wie da ...? Vielleicht liegt darin der Grund dafür, daß der meist gelesene Satiriker unserer Zeit – er wurde in 37 Sprachen übersetzt – hierzulande den größten Erfolg hat: Von den weltweit 42 Millionen verlegten Exemplaren seiner Bücher sind allein 31 Millionen in deutscher Sprache erschienen.

In der Regel fangen seine Geschichten ganz harmlos an, steigern sich bis zum Realistätsbruch und explodieren im Grotesken. Bedenklich, daß uns selbst das immer noch ziemlich glaubwürdig vorkommt. Wie er aber das Geschehen geschehen läßt, wie er es strafft und steigert, ist so meisterhaft, daß es ihm gelingt, beim Leser gleichzeitig amüsiertes Kopfschütteln und tiefste Zustimmung zu initiieren, Heiterkeit und (Selbst)-Erkenntnis.

Wie, Selbsterkenntnis auch bei Politikern? "Wer’s glaubt, wird selig", meint Kishon, der das Buch am liebsten jedem Politiker auf den Schreibtisch legen würde. An den Sieg der Vernunft glaubt er aber nach Lebens- und Leidensjahren nicht mehr. Trotzdem wird er nicht aufhören, ihr mit spitzer Feder Gehör zu verschaffen.

Doch halt, nicht ganz so pessimis-tisch: Bei den immer wiederkehrenden politischen Skandalen hat sich schließlich etwas verändert: das Datum! Und noch etwas belegt die Evolution: Brauchten die alten Römer noch Legionen von Söldnern, um Völker zu unterjochen, so tun’s heute schon Legionen von Beamten.

 

Ephraim Kishon: Wer’s glaubt, wird selig – Politische Satiren. Langen Müller, München 2000, 239 Seiten, 34 Mark


 
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