© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
"Wir wollen Frieden"
Baskenland: Wahlsieg für nationale EAJ-PNV / "Pro-Spanier" gescheitert / Eta-nahe Partei EH vom Wähler abgestraft
Jörg Fischer

Der wahre Verlierer ist der spanische Staat und sein Plan, den baski-schen Nationalismus zu zerstören", schrieb die baskische Tageszeitung Gara letzten Montag zum Ausgang der vorgezogenen Regionalwahlen im spanischen Baskenland.

Den "baskischen Nationalismus zerstören" wollte der Hausherr im Madrider Palacio de la Moncloa, Spaniens konservativer Premier José María Aznar. Seine Volkspartei (PP) und ihr Spitzenkandidat, der Ex-Innenminister Jaime Mayor Oreja, hatten vor den Wahlen am 13. Mai angekündigt, zusammen mit den Sozialisten (PSE-EE) eine Koalition zu bilden, um erstmals seit 1980 die Macht in der etwa 2,1 Millionen Einwohner zählenden autonomen Region zu erobern. Die massive PP-Kampagne brachte zwar einen zusätzlichen Abgeordnetensitz im Parlament von Vitoria (19 Sitze, 23 Prozent, plus drei Prozent), doch die pro-spanische Koalition PP-PSE blieb genauso stark wie vor drei Jahren: Die PSE büßte einen Sitz ein und kam nur noch auf 17,8 Prozent (13 Sitze). Die rechte, nationalspanische Zeitung ABC schrieb resignierend, die Wähler im Baskenland hätten eine historische Chance vergeben.

Überraschender Wahlsieger wurde mit 42,7 Prozent die "baskische CSU", die regierende Nationale Partei des Baskenlandes (EAJ-PNV) und die mit ihr verbündete Euskal Alkartasuna (EA). Sie errangen zusammen 33 der 75 Sitze und verfügen damit über sechs Mandate mehr als bisher. Rund 600.000 Wähler gaben dem Bündnis ihre Stimme –bei einer Rekordwahlbeteiligung von rund 80 Prozent der 1,8 Millionen Stimmbürger. "Das baskische Volk hat gesagt: ’Wir wollen Frieden‘", erklärte der alte und sicherlich neue baskische Regierungschef Juan José Ibarretxe zum Wahlausgang. Großer Verlierer ist die der Terrororganisation Eta nahestehende linksnationale Partei Euskal Herritarrok (EH): Sie verlor fast die Hälfte der Stimmen und kam nur noch auf 10,1 Prozent. Die EH stellt nun nur noch sieben Abgeordnete statt 14 Abgeordnete.

Die EAJ-PNV habe "von der Polarisierung der politischen Szene im Baskenland profitiert", kommentierte zutreffend die linke Madrider Tageszeitung El Pais. "Der drastische Stimmenverlust der radikalen Separatisten ist eine gute Nachricht. Die nächste Legislaturperiode wird nicht von Manövern dieser Anti-System-Partei bestimmt werden. In einer Hinsicht trafen die Wähler eine klare Entscheidung: Die Terroristen von der Eta verloren politisches Terrain. Damit ist aber der Kampf gegen die terroristische Gewalt noch nicht gewonnen. Nun sollten die baskischen Nationalisten und die spanischen Parteien sich in grundlegenden Dingen verständigen. Die Wähler stellten die Politiker vor eine schwere Aufgabe. Diese sollten jetzt beweisen, daß sie die Gemeinsamkeit der Demokraten wiederherstellen können."

Ob die kommunistische Vereinte Linke (IU-EB), die auf 5,5 Prozent kam, auch zu den "Demokraten" gehört, ließ El Pais offen. Die IU-EB ist nun mit drei statt zwei Abgeordneten in Vitoria vertreten. Der baskische IU-EB-Chef Javier Madrazo empfahl jedenfalls eine Zusammenarbeit von EAJ-PNV und PSE-EE, da an eine eigene Zusammenarbeit mit der bürgerlich-katholischen EAJ-PNV nicht zu denken sei. Der jubelnde Wahlsieger, der 44jährige Juan José Ibarretxe, steht vor einer schweren Aufgabe. Als er Ende 1998 mit den Stimmen der EH erstmals zum Regierungschef des autonomen Baskenlands gewählt wurde, war die Madrider Zentralregierung entsetzt und verhängte eine Art "politischen Boykott". Andererseits stand er auch nach seinem Amtsantritt im Schatten des EAJ-PNV-Chefs Xabier Arzalluz. Als die Eta nach 14monatigem "Waffenstillstand" ihre Terroraktionen ausweitete, kam es zum Bruch mit EH und Ibarretxe setzte Neuwahlen an.

Ibarretxe will zunächst mit den Sozialisten verhandeln. Diese hatten über zehn Jahre lang die Regierung der PNV unterstützt, bis es 1998 im Streit über den Eta-Terror zum Bruch kam. Letztlich hängt alles von Nicolás Redondo Terreros und seiner PSE-EE ab. Sollten sich die Sozialisten einem erneuten Bündnis verweigern, bliebe nur eine Duldung durch die EH – mit unabsehbaren Folgen. Wie die Eta den Wahlausgang interpretiert, ist nicht abzusehen. In der Nacht zum Wahlsonntag war in einer Madrider Geschäftsstraße eine im Namen der Eta angekündigte Autobombe explodiert. Mehrere Menschen wurden verletzt, an einer Bankfiliale entstanden schwere Sachschäden.


 
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