© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001


Ein Menetekel für Europas Linke
Italien: Berlusconi-Bündnis klarer Wahlsieger / In Südtirol siegen die Autonomieanhänger / Kommunisten vertreten
Beatrix Madl / Jörg Fischer

Wir haben zu Österreich gehalten, als es ungerechten und unwürdigen Angriffen ausgesetzt war. Wir müssen jetzt auch mit Berlusconi und den italienischen bürgerlichen Parteien solidarisch sein, zu einem Zeitpunkt, wo diese unter beispiellosem europäischen Druck stehen." Diese mutigen Sätze sagte der ungarische Premier Viktor Orbán eine Woche vor den Parlamentswahlen in Italien auf dem Fidesz-Parteitag in Szegedin, wo die größte Budapester Regierungspartei ihren Übertritt von der Liberalen Internationale (LI) in die Europäische Volkspartei (EVP) beschloß. Mit diesem offenen Bekenntnis blieb der Konservative ziemlich allein in Europa: Nicht nur die EU-Linke in Berlin oder Brüssel "warnte" die Italiener vor Silvio Berlusconis Rechts-Bündnis "Haus der Freiheiten", selbst der wirtschaftsliberale britische Economist hielt den 64-jährigen Forza Italia-Chef für "ungeeignet", in Rom zu regieren.

Doch alle in- und ausländischen "Warnungen" wurden von den italienischen Wählern ignoriert. An einem turbulenten Wahlsonntag, der teilweise bis zum Montagmorgen dauerte, verhalfen die Italiener der "Casa delle Libertà" (CdL) zu klaren Mehrheiten – sowohl in der Abgeordnetenkammer (368 von 630 Sitzen) wie im Senat (177 von 315). Silvio Berlusconi selbst wurde in seinem Wahlkreis in Mailand mit 53,6 Prozent direkt gewählt. Die Mitte-Links-Allianz "Ölbaum" (Ulivo) mit Francesco Rutelli an der Spitze erhält dagegen nur 250 Sitze in der Kammer und 130 Sitze im Senat. Für den 46jährigen ehemaligen römischen Bürgermeister war dies ein Achtungserfolg, zeigte er sich doch als ernst zunehmender Gegner des neuen starken Mannes. So konnte er seinen Anhängern am Tag nach der Wahl eine "starke Opposition" versprechen. Bei einer Pressekonferenz sagte Rutelli, daß er das Wahlergebnis respektiere. Damit gab er seinen Genossen in Europa Entwarnung: Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach ebenfalls vom "Respekt" vor der Entscheidung der italienischen Wähler. Die schwedische Außenministerin Anna Lindh, derzeit EU-Ratspräsidentin, meinte kühl: "Ich bin nicht in der Stimmung zu gratulieren". Lediglich die Regierungen von Spanien und Österreich ließen offene Sympathie für den Rechtsrutsch in Rom erkennen: "Ich gratuliere Silvio Berlusconi zu seinem klaren Sieg", erklärte der Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Wien.

Doch genauer betrachtet hat Italien seine Mitte wiedergefunden. Die Parteien an den Rändern beider Blöcke haben hingegen Stimmen verloren. Die Forza Italia (FI) verbesserte sich von 20,6 auf 29,4 Prozent der Stimmen und ist jetzt mit 10,9 Millionen Wählern stärkste Partei. Die von dem 49jährigen Gianfranco Fini geführte "postfaschistische" Alleanza Nazionale mußte in dem von den jeweiligen Spitzenkandidaten dominiertem Wahlkampf Verluste hinnehmen. Die zweitstärkste CdL-Partei kam nur noch auf zwölf Prozent, 1996 waren es noch 15,7 Prozent der Verhältnisstimmen.

Die Lega Nord des 58jährigen lombardischen "Volkstribuns" Umberto Bossi kam italienweit nur auf 3,9 Prozent. Sie scheiterte an der Vier-Prozent-Klausel, die kleineren Parteien den Einzug in die Abgeordnetenkammer versperrt. Nur 25 Prozent der Kammersitze werden im Verhältniswahlrecht vergeben, 75 Prozent per Mehrheitswahlrecht. Nur über diese Direktmandate kann die Lega 30 Deputierte und 17 Senatoren stellen. 1996 erreichte die Lega noch 10,1 Prozent. Selbst in Norditalien kam sie nur noch auf 8,2 statt 20,5 Prozent. "Die Lega Nord hat große Opfer gebracht, nun erwarten wir uns von Berlusconi, daß er dem Wahlpakt treu bleibt", sagte letzten Dienstag Lega-Vize Roberto Maroni, der in der ersten Regierung Berlusconis im Jahr 1994 Innenminister war. Vor allem bezüglich Steuerautonomie, Einwanderungsbegrenzung und Familie müsse Berlusconi das Wahlversprechen einhalten. Nächstes Ziel der Lega sei ein "Autonomiereferendum in der Lombardei". Die Volksabstimmung, die für Oktober geplant ist und vom Verfassungsgericht bereits abgesegnet wurde, ist laut Bossi ein Schritt in Richtung Föderalisierung des Landes. Die aus den Trümmern der Christdemokraten hervorgegangenen Parteien CCD und CDU scheiterten als "Biancofiore" mit 3,2 Prozent (1996: 5,8). Durch die CdL-Beteiligung sind ihnen aber Direktmandate sicher, genauso wie Pino Rautis "Mussolini-Partei" Fiamma Tricolore, die 0,4 Prozent erreichte.

Stärkste Ulivo-Partei wurden mit 16,6 Prozent die postkommunistischen Linksdemokraten (DS). 1996, damals noch als Sozialisten (PDS), erreichten sie 21,1 Prozent und waren stärkste Partei. Roms Bürgermeister und DS-Generalsekretär Walter Veltroni hat daher seinen Rücktritt vom Parteiamt angekündigt. Der 47jährige muß am 27. Mai in die Stichwahl um den Römischen Chefsessel gegen FI-Sprecher Antonio Tajani. Mit 14,5 Prozent zweitstärkste Gruppierung im Linksblock ist Rutellis "La Margherita", bestehend aus der ex-christdemokratischen Volkspartei (PPI), Italienischer Erneuerung (RI), der Demokratischen Union für Europa (UDEUR) und den Demokraten. Das Bündnis Sonnenblume ("Il Girasole"), bestehend aus Grünen und Demokratischen Sozialisten (SDI), kam nur auf 2,2 Prozent. Die Partei der Italienischen Kommunisten (PdCI), die sich nach dem Ausscheiden der Rifondazione Comunista aus der Regierung von den Altkommunisten abgespalten hat, erreichte 1,7 Prozent. PdCI und "Il Girasole" kommen über Direktmandate ins Parlament.

Die Parteien außerhalb von CdL und Ulivo stellen zusammen lediglich 12 Abgeordnete und 13 Senatoren. Der 61jährige Altkommunist Fausto Bertinotti und seine Rifondazione Comunista hatten sich dem Ulivo-Bund verweigert. Mit fünf Prozent (1996: 8,6 Prozent) der Stimmen sind sie aber mit drei Senatoren und 11 Abgeordneten parlamentarisch vertreten. Alle anderen unabhängigen Parteien – zusammen rund zehn Prozent – scheiterten und verhalfen der CdL zur satten Mehrheit: Die Liste von Ex-Staatsanwalt und Korruptionsgegner Antonio di Pietro (3,9 Prozent) genauso wie Ex-Premier Giulio Andreotti. Er hatte die "Europäische Demokratie" (2,4 Prozent) aus Splittern der früheren Democrazia Cristiana (DC) gegründet. Die Ex-EU-Kommissarin Emma Bonino, die vor den Wahlen mit einem Hunger- und Durststreik gegen die Diskriminierung ihrer Liste "Pannella-Bonino" in der Fernsehberichterstattung protestierte, kam auf nur 2,3 Prozent. Die Rechtsaußen-Parteien Fronte Nazionale und Forza Nuova blieben landesweit unter ein Prozent.

In seiner Amtszeit will der Medienunternehmer Berlusconi 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen, Steuern senken und die Mindestrenten erhöhen. Für den Fall, daß er diese Geschäftsziele für das "Unternehmen Italien" nicht erreicht, kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an. Die Südtiroler glaubten seinen Wahlversprechen offenbar nicht, nicht einmal in Wahlkreisen mit starkem italienischen Bevölkerungsanteil. Im Kammerwahlkreis Bozen-Leifers setzte sich das Bündnis Ulivo mit Südtiroler Volkspartei (SVP) durch. Der bisherige Unterstaatssekretär für Minderheiten, Gianclaudio Bressa, setzte sich mit 49 Prozent der Stimmen gegen Franco Frattini (FI) durch. Frattini, der vielleicht italienischer Innenminister wird und die Südtiroler Autonomie kritisierte, unterlag in dem Einmann-Wahlkreis mit 42 Prozent. Erst ein Verhältniswahlmandat im Veneto ermöglichte es, daß er sich dennoch als Sieger fühlen konnte. Die Südtiroler sehen die SVP immer noch als die Vertretung ihrer Volksgruppe an. So kommt es zu Ergebnissen von bis zu 81,6 Prozent für die Autonomie-Partei. Im Verhältniswahlkreis der Provinz Bozen schlug der Protestkandidat und Autonomievater Silvius Magnago (SVP) mit über 200.000 Stimmen (60,5 Prozent) den Postfaschisten Giorgio Holzmann (Alleanza Nazionale), der nur 10,3 Prozent der dortigen Wähler überzeugen konnte – wegen der Tücken des Wahlrechts kommt Magnago allerdings nicht ins Parlament. Alle anderen Parteien erhielten nur marginale Zustimmung, wie die FI mit 7,5 Prozent, La Margherita 6,5 Prozent und die Lega Nord 0,6 Prozent. Der 87jährige Magnago "protestierte" mit seiner Kandidatur, da die SVP ohnehin italienweit an der Vier-Prozent-Klausel scheitert. In Italien gibt es keine Sonderregelung für Minderheitenparteien, die wie etwa die SVP nur in einer Provinz antreten.

In den Senatwahlkreisen siegte die Edelweiß-Partei aber auch mit Abstand: 53,4 Prozent in Bozen-Unterland und 50,8 Prozent in Meran-Vinschgau, wo die "Freiheitlichen" als deutsche Opposition mit 3,1 Prozent weit abfielen. Der Ulivo erreichte dort mit seinem ladinischen Spitzenkandidaten Leander Moroder bloß 8,5 Prozent. In Brixen-Pustertal erzielte die Südtiroler Regierungspartei 75,3 Prozent, die "Freiheitlichen" nur 1,9 Prozent der Stimmen.

 

Parlamentswahlen in Italien am 13. Mai 2001

49,5 Millionen Wahlberechtigte, Wahlbeteiligung 81%, 174 Gruppen kandidierten

"L´Ulivo" 

DS 16,6 % 

Margherita 14,5 % 

Girasole 2,2 % 

PdCI 1,7 % 

SVP 0,4 % 

Sitzverteilung im Senat und Abgeordnetenkammer: 130 Senatoren (40 %) 250 Sitze (40 %)


Bündnisfreie

Altkommunisten 5,0 %

Di Pietro 3,9 %

Dem. Europea 2,4 %

Pannella-Bonino 2,3 %

Fiamma Tricolore 0,4 %

Sitzverteilung im Senat und Abgeordnetenkammer: 8 Senatoren (+ 9 auf Lebenszeit) 12 Sitze (2 %)


"Casa delle Libertà"

Forza Italia 29,4 %

AN 12,0 %

Lega Nord 3,9 %

CCD/CDU 3,2 %

Nuovo PSI 1,0 %

Sitzverteilung im Senat und Abgeordnetenkammer: 177 Senatoren (54 %) 368 Sitze (58 %)


 
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