© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Nicht reif für die Bundesliga
Parteien: Die endlose CDU-Spendenaffäre schadet Angela Merkel / Friedrich Merz kein "Volkstribun" / Nur Edmund Stoiber hätte das Zeug zum Kanzler
Paul Rosen

Es gibt einen alten politischen Witz: "Gestern standen wir am Rande des Abgrunds. Heute sind wir einen großen Schritt weiter." Angela Merkel, die CDU-Vorsitzende, mag über diesen oder ähnliche Sprüche überhaupt nicht lachen. Vor einem kleinen Kreis ausgewählter Springer-Journalisten im 18. Stock des Verlagshauses in der Berliner Kochstraße räumte sie kürzlich ein, als Politiker müsse man damit rechnen, daß es mit einem schönen Amt jeden Tag zu Ende sein könne.

Beinahe wäre es ja auch so gekommen. Die vom früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep, dem Verursacher und Auslöser der Spendenaffäre überwiesene eine Million Mark war von der CDU-Führung, die Parteivorsitzende eingeschlossen, völlig falsch eingeschätzt worden. Offenbar kennt die Naivität im Berliner Konrad-Adenauer-Haus keine Grenzen. Kiep hatte, an Zufälle mag man nicht glauben, das Geld drei Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an die Partei überwiesen. Das Begleitschreiben ließ für die CDU-Oberen den Schluß zu, es könne sich um eine Zahlung handeln, die im Zusammenhang mit Regreßansprüchen der Partei gegen ihren früheren Schatzmeister stehen könnte. Schließlich verhandelte der CDU-Anwalt mit dem Rechtsbeistand von Kiep in dieser Angelegenheit. Aber anscheinend hatte man Kieps Brief bei der CDU nicht genau gelesen. Von Regreß stand da nichts drin, sondern nur von der Annahme, es könne sein, daß es sich um Beträge handeln könne, die nicht ihm, Kiep, sondern der CDU gehören könnten.

Nun wird man getrost annehmen können, daß Franz Müntefering von der SPD, wäre er in einer ähnlichen Situation gewesen, den Eingang der Million auch nicht vor den Landtagswahlen publiziert und damit die Wahlchancen seiner Partei reduziert hätte. Müntefering hätte, wenn man diese These wagen darf, am Wahlabend kurz nach 18 Uhr erklärt, er danke den Wählern für das Vertrauen und habe im übrigen kundzutun, daß auf dem Parteikonto eine größere Summe von Herrn XY eingegangen sei. Der Grund der Überweisung und die genaue Herkunft des Geldes würden selbstverständlich geklärt, die Öffentlichkeit werde weiter informiert.

Bei der CDU lief der Fall – Schwarzkassenkönig Helmut Kohl hätte seine Freude daran gehabt – anders. Während die Öffentlichkeit trotz aller Beschwörungen, man werde alles aufklären, weiter im Dunkeln gelassen wurde, gingen führende Christdemokraten daran, die Million wie das Fell des Bären zu verteilen. So beschloß der Haushaltsausschuß der Partei am 16. März unter anderem, mit einem Teil des Geldes das Foyer des Adenauer-Hauses zu verschönern.

Erst nachdem der Vorfall im Parteivorstand mitgeteilt und damit publik wurde, merkten Frau Merkel und ihre CDU, in welchen Fettnapf sie getreten hatten. Während die CDU-Chefin in den USA außenpolitische Erfahrungen zu sammeln versuchte, kochte die Spendenaffäre im Inland aufs Neue hoch. CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann bot sogar seinen Rücktritt an. Frau Merkel, die selbst heftig wankte, hätte ihn annehmen sollen. Mit Mitarbeitern ohne politisches Gespür sind Wahlen nicht zu gewinnen – Bundestagswahlen schon gar nicht.

Auch die stets propagierte Rückkehr zur Sachpolitik blieb bisher ohne sichtbaren Erfolg. Zwar feierten sich CDU und CSU, daß es ihnen gelang, ein gemeinsames Papier zur Asyl-, Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik zu entwerfen. Damit hatten Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber wenigstens einen taktischen Erfolg errungen. Ihre große Gegenspielerin, die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), von Kanzler Schröder geschickt mit der Leitung der Zuwanderungskommission der Regierung betraut, kann ihr Papier erst im Juli vorlegen. Da die Union nun eine eigene Position hat, bleibt ihr die Auseinandersetzung, ob man das Süssmuth-Papier gut oder schlecht zu finden hat, erspart.

Aber inhaltlich sind CDU und CSU nicht weitergekommen. Gewiß, die CSU scheint sich bewegt und auf die Forderung nach einer Umwandlung des Grundrechts auf Asyl in eine institutionelle Garantie verzichtet zu haben. Dies entspricht der Mehrheitsposition der Nach-Kohl-CDU. Doch lassen die Bayern andererseits keinen Zweifel daran, daß sie die Stunde für eine Änderung des Grundgesetzes wieder kommen sehen, wenn sich die von der CDU befürwortete Verfahrensbeschleunigung im Falle mißbräuchlicher gestellter Asylanträge nicht bewähren sollte. In ihrem vom CSU-Vorstand zuvor beschlossenen eigenen Papier lassen die Christsozialen keinen Zweifel daran, daß die Verfahrensbeschleunigung nicht funktionieren wird.

Entsprechend schlecht verlief der erste große gemeinsame Auftritt von Stoiber und Merkel vor der Berliner Presse. Jeder im Saal konnte spüren, daß die Spannungen zwischen beiden nicht ausgeräumt waren. Nach wie vor herrscht zwischen Stoiber und Merkel eine scharfe Rivalität wegen der Kanzlerkandidatur. Man belauert sich katzenhaft. Nachdem Merkel wegen der Kiep-Million eine Schwächephase erlebt, liegt Stoiber im internen Wettstreit gegenwärtig vorn und wird auch nach Umfragen von 70 Prozent des Publikums als Kanzlerkandidat gewünscht.

Egal, wie das Rennen um die Kanzlerkandidatur ausgeht, es ändert nichts daran, daß der CDU eine starke Führungspersönlichkeit fehlt. Frau Merkel hat ihre Rolle bisher auf das Moderieren beschränkt. Führungsqualitäten hat sie nicht gezeigt. Der andere CDU-Führungskopf, der Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, ist froh, wenn er sich bis zur Bundestagswahl im Sattel halten kann. Ohne klaren Kurs gingen beide Parteien in den größten Konflikt mit der Regierung: die Auseinandersetzung um die Rentenreform. Einen Lafontaine, der die damalige Opposition so zusammenschweißte, daß Kohls/Waigels Steuerreform im Bundesrat scheiterte, hat die Union nicht. Also konnte sich Schröder ganz im Stil des Genossen der Bosse seine Mehrheit für die Rentenreform im Bundesrat zusammenkaufen. Für ein Almosen (ein paar neue Arbeitsplätze in einer neuen und überflüssigen Behörde) verkauften die Großen Koalitionen in Berlin und Brandenburg Schröder ihre Ja-Stimmen in der Länderkammer.

Stoiber und Merkel hatten vorher versucht, die Sache herunterzuspielen und auf die drohende Niederlage hinzuweisen. Damit erinnern sie an einen Bundesligatrainer, der seiner Mannschaft schon vor dem Spiel keine Chance gibt. Fazit: Die Union ist nicht reif für die Bundesliga.


 
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