© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
PRO&CONTRA
Quote für deutsche Musik einführen?
Stephan Rögner / Holger Lachmann

Lieder wollen nicht nur gehört, sondern auch begriffen werden. Das setzt Sprachkenntnisse voraus. Englische Texte – nur die stehen in Konkurrenz – erfassen nach Umfragen von den vor 1960 geborenen Zuhörern nur etwa 20 Prozent, von den jüngeren immerhin 40 Prozent.

Die meisten engagierten deutschsprachigen Liedermacher wollen sich einmischen und fordern deshalb eine Quote bei den Rundfunksendern, denn dann stiege die Chance für mehr Aktzeptanz ihrer Produkte und damit allgemeinerer Verbreitung als bisher.

Die in der gleichen Szene ebenfalls beheimateten Folkies und in weiterer Gefolgschaft die Jazzer, denen Musik ebenfalls Lebensausdruck bedeutet, können auf englischsprachige Tradition nicht verzichten. Ihnen ist eine Begrenzung englischer Texte und Musik unerwünscht, ja unvorstellbar, denn in England käme fast niemand auf die Idee, nicht in seiner Sprache Texte zu verfassen und an die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Bandbreite der Ausdruckskraft in der deutschen Sprache ist größer als die der englischen, weil das Deutsche über mehr Wörter verfügt. Andererseits eignen sich für den Transport einfache, geläufige und eingängige Ausdrucksweisen wie bestimmte Amerikanismen. Da Englisch eine Weltsprache ist, wird sie bevorzugt, wenn man sein Produkt weltweit anbieten will.

Wäre eine Quote auch grundsätzlich zu begrüßen, so käme sie, befürchtet man, doch nur der "Dicken-Backen-Musik" und nicht dem Folk zugute und natürlich den banalen "Tütensuppen-Liedern", deren Popularität in englischer wie in deutscher Version auf dem Nichtverstandenwerden beruht.

Uns Befürwortern zum Trost: Musik ist größtenteils nur Geräuschkulisse und Englisch die Weltsprache! Gute Ohrwürmer gibt es immer wieder auch in deutscher Sprache.

 

Stephan Rögner ist geschäftsführender Vorsitzender der AG SONG, der Arbeitsgemeinschaft der Liedermacher

 

 

Der Sender 104.6 RTL hat wohl die wenigsten Probleme mit einer eventuellen Quotierung, da wir bereits sehr viel deutsche Musik spielen. Es ist aber eine Frage der Definition, was deutsche Musik eigentlich ist. Auf der einen Seite gibt es die typisch deutsche Schlagermusik, auf der anderen Seite gibt es auch deutsche Musik wie Ayman, also den "German-Soul" zum Beispiel.

Es gibt eine ganze Reihe deutscher Interpreten, die auch deutsch singen und bei uns stattfinden. Eine Quotierung wäre insofern sinnlos. Warum sollte ich mir mein Programm mit Songs zubauen, nur um die Quote zu erfüllen, wenn die Musik, auf die es ja eigentlich ankommen sollte, schlecht ist. Der Kern liegt nicht in der Quotierung, in der Sache, die Medien zu zwingen, mehr

deutsche Musik zu spielen, sondern es sollte eine Grundlage hergestellt werden, bessere deutsche Musik anzubieten. Es gibt ja eine Reihe deutscher Künstler wie "Band ohne Namen", "3. Generation"oder "Laith Al-Deen", die aber moderne Musik machen. Mit Leuten wie den "Holzhackerbuam" kann man bei einem Hit-Sender wie unserem heutzutage auf keinen grünen Zweig kommen. In erster Linie sollte man fragen, wie gut das Produkt ist und ob es für die Zielgruppe paßt.

Folge einer Quotierung wären Musikredakteure, die gequält in den Redaktionen der Radiosender sitzen und nur darauf achten müssen, die Quote zu erfüllen, dadurch zwangsläufig Titel hereinnehmen, die sonst nicht gespielt würden. Einfach weil sie schlecht sind. Es gibt nun einmal auch deutsche Lieder, die so schlecht sind, daß sie zu Recht nirgendwo auftauchen.

Deutsche Versionen von englischen Songs sind auch nicht Sinn der Sache. Quotierung, wie zum Beispiel in Frankreich, heißt ja, daß es Orginale sein sollten, keine Kopien. Letzten Endes regelt die Nachfrage das Angebot. Wenn es Menschen gibt, die sich für deutsche Musik interessieren, wird sie auch ohne Quotierung verkauft. Eine Quote würde zu Lasten der Qualität gehen.

 

Holger Lachmann ist Musikchef von 104.6 RTL, Berlins Hit-Radio


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen