© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
Tugenden pflegen
Ein Gespräch mit dem CSU-Politiker Peter Ramsauer
Philip Plickert

Herr Dr. Ramsauer, Sie sind 1973 während Ihrer Studienzeit einer Burschenschaft beigetreten, haben gefochten und ihre Chargen geleistet. Bereuen Sie Ihre damalige Entscheidung?

Ramsauer: Nein, die bereue ich natürlich nicht! Die aktive Zeit in der Burschenschaft war für mich nicht nur eine Bereicherung des studentischen Lebens am Universitätsort. Die Studenten finden hier in akademische Kreise, die sich einem sonst nicht ohne weiteres erschließen. Das liberale Gedankengut, das in meinem Bund gepflegt worden ist, die wirkliche politische Offenheit in alle Richtungen hat mir gefallen. Vor allem habe ich erlebt, daß das Vorurteil, Burschenschaften immer in eine bestimmte politische Ecke zu stellen, einfach falsch ist. Sie stehen dort in ihrer Mehrzahl nicht.

Welche Aufgaben sollten die Burschenschaften heute wahrnehmen?

Ramsauer: Wichtig erscheint mir das Hinführen der Studenten zu traditionellen Tugenden wie zum Beispiel Ehrlichkeit, Ehrenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Zielstrebigkeit, Fleiß, Verschwiegenheit, Leistungsbereitschaft und gegenseitige Hilfsbereitschaft. In politischen Belangen müssen sie über den Tellerrand hinausschauen und sich mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen. Gerade in der aktuellen Debatte: "Was bedeutet Nation, was bedeutet Patriotismus", erwächst den Burschenschaften heute wieder eine neue, wichtige Aufgabe bei der Erziehung junger Menschen. In einer immer komplexeren, sich immer weiter globalisierenden Welt suchen die Menschen Sicherheit und Identität – auch vor dem Hintergrund des sich rasch erweiternden Europas. Die Nation, auf die man stolz sein kann, stiftet hier Identität.

Würden Sie jungen Studenten also empfehlen, einer Korporation beizutreten?

Ramsauer: Auf alle Fälle. Es bereichert das studentische Leben nicht nur in gesellschaftlicher Hinsicht. Studentische Verbindungen sind wichtige Hilfen fürs Leben. Was man in seiner Aktivenzeit von anderen nimmt, gibt man später. Es ist ein Geben und Nehmen im Generationenwechsel. Das hat aber nichts mit Protektionismus zu tun, wie uns immer wieder unterstellt wird.

Im 19. Jahrhundert war die Burschenschaft eine treibende politische Kraft, noch bis in die sechziger oder siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts übte sie einigen Einfluß aus. Heute ist sie von der politischen Bühne fast völlig verschwunden. Wie begründen Sie das?

Ramsauer: Viele Ideale und politische Ziele der Urburschenschaft, der freie und demokratische Nationalstaat, sind im weiteren geschichtlichen Verlauf nach der Paulskirche verwirklicht worden. Die unmittelbaren Forderungen hatten sich damit erübrigt. Doch ich glaube, daß die Burschenschaften nach wie vor eine große politische Aufgebe haben und nicht irgendwelche x-beliebigen gesellschaftlichen oder studentischen Clubs sind. Davon muß sich eine Burschenschaft immer abheben und unterscheiden. Sie muß dazu beitragen, daß ein Akademiker eine feste Wertorientierung für sein späteres Leben erfährt.

Bei Angriffen auf die Burschenschaften halten sich einflußreiche Alte Herren meist im Hintergrund. Kaum einer steht zu seinen Farben und nimmt den Verband in Schutz. Gibt es bei den Konservativen zu wenig Solidarität?

Ramsauer: Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Es gibt genügend Kollegen im Deutschen Bundestag, die ganz offen ihre Burschenschafternadel tragen. Darüber regt sich auch niemand auf, und es gibt keinen Grund, hier ein Versteckspiel zu betreiben. Wenn man es mit seriösen Journalisten zu tun hat, kann man gut darüber sprechen. Wo aber ein böser Wille und eine vorgefaßte Meinung vorhanden sind, wenn jemand sich in den Kopf gesetzt hat, Burschenschaften in den Dreck zu schreiben, da hilft auch Aufklärung nichts mehr.

 

Dr. Peter Ramsauer, 47, ist seit Januar 1998 Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag.


 
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