© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001


Kolumne
Spätes Rom
von Klaus Hornung

Ach, wie einfach ist das alles: Viele bei uns lassen sich von der Formel überreden: "Immigration liegt im Eigeninteresse". Angesichts der desolaten demographischen Bilanz der Deutschen (und Europäer) wird "Zuwanderung" zum Zauberwort, das alle Zukunftsprobleme löst: die Behauptung des Industriestandortes Deutschland, die Erhaltung unseres hohen Lebensstandards, die Sicherung unserer Renten.

So mechanistisch und technokratisch stellen sich bei uns viele Politiker, Wissenschaftler, Ökonomen die Problemlösungen vor. Naiv und fahrlässig gehen sie davon aus, daß bald Millionen von Immigranten aus aller Welt ohne Murren die Rentenlast von doppelt so vielen deutschen Greisen schultern werden, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, daß wir uns damit wahrscheinlich mutwillig Konfliktpersonal ins Land holen, "jugoslawische" Zustände in der Mitte Europas, nicht die angeblich glänzende Zukunft eines – endlich – multikulturellen Europa, das einem farbenprächtigen botanischen Garten gleichen soll.

Es bedarf wenig historisch-politischer Prognosefähigkeit, um vorauszusehen, daß dieses "Europa" nicht mehr der innovative geistige, technische und industrielle Motor des Globus sein wird, eine Zone des Wohlstands und der Sicherheit, sondern eine Konfliktregion wie zahlreiche andere in der Welt, in Asien und Afrika. Man wird an den Untergang des römischen Weltreichs erinnert: fehlende Bereitschaft, für den eigenen Nachwuchs zu sorgen, Landflucht in die Ballungszentren mit ihrem Lebensanspruch proletarisierter Pflastertreter und Staatsstipendiaten, die nur noch diktatorisch, zentralistisch und bürokratisch regiert werden können, dabei oft verzückte Bewunderung der gesunden Völker außerhalb des Limes. Es kam, wie es kommen mußte: die Germanen brachen aus dem Norden ein, und von Osten her vollzog sich unaufhaltsam die Orientalisierung des Weltreichs. Das Ergebnis war der epochale Umbruch von der Antike zum Mittelalter.

Was die beiden totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts in Europa nicht erreichten, das soll nun im Zeichen naiv-frenetisch begrüßter Zuwanderung nachgeholt werden: die Auflösung des seit 1.000 Jahren gewachsenen Europa, seiner Nationen und Siedlungsgrenzen, seine Verwandlung in eine geschichtslose multiethnische Weltregion. Unsere neunmalklugen Gutmenschen und Lebensstandard-Evangelisten werden sich früher, als viele meinen, als Katastrophenpolitiker erweisen. Schickt mir – vielleicht schon in 50 Jahren – eine Karte aus dem "neuen Europa"!

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Stuttgart-Hohenheim


 
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