© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
18 Prozent statt drei Punkten
FDP: Die Liberalen wollen eine Partei für "das ganze Volk" werden
Ronald Gläser

Das Aufstehmännchen Möllemann ist wieder einmal gescheitert. Sein Antrag, einen eigenen FDP-Kanzlerkandidaten ins nächste Rennen um den Bundestag 2002 zu schicken, erhielt die Zustimmung von nicht einmal einem Viertel der Delegierten. Sein Widersacher Westerwelle wurde auf dem FDP-Parteitag in Düsseldorf obendrein mit fast 90 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt worden.

Aber Möllemanns Erfolg läßt sich nicht an Delegiertenstimmen messen. Das Enfant terrible der Liberalen beherrscht die Diskussion. Die Tatsache, daß er so weit kommen konnte, ist schon ein Triumph an sich. Während der linke und der rechte Parteiflügel auf dem Konvent wieder einmal nichts zu sagen hatten, bestimmte der Fallschirmspringer die Diskussion. Trotz der offenkundigen Schlappe seines Kanzlerkandidatenvorhabens sprach "Super-mölli" von einem Zwei-zu-Eins-Sieg, denn gewählt worden sei er ja und das von ihm iniitierte Projekt 18 hätte es auch geschafft.

Selbst Westerwelle operierte wie auf vermintem Gelände. Aus Angst, die Delegierten könnten dem "größenwahnsinnigen" (Döring) Ansinnen Möllemanns wider Erwarten doch zustimmen, hat der 39jährige selbst nicht ausgeschlossen, als Kanzlerkandidat anzutreten. So stritt man also ein ganzes Wochenende über die theoretische Frage nach einem eigenen Kanzlerkandidaten.

Anschließend federte der neue Vorsitzende den Streit dadurch ab, daß er den nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden als seinen Stellvertreter ins Boot holte. Doch damit institutionalisierte er gleich wieder den Streit, denn Möllemanns Intimfeind Döring wurde mit letzter Kraft ebenso stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Möllemann hat sich damit keinen Gefallen getan, er hätte seine Strategie besser durchhalten und auf Anti-Westerwelle-Kurs bleiben sollen. Jetzt kann er den neuen Vorsitzenden schwer unter Beschuß nehmen.

Die anderen Vorstandswahlen blieben unspektakulär. Holger Zastrow aus Sachsen erhielt auf Anhieb ein glänzendes Ergebnis, während die hessische Vorsitzende Ruth Wagner beinahe gescheitert wäre. Zastrow erzielte mit 74 Prozent das drittbeste Ergebnis aller 16 Landesvorsitzenden. Der sächsische Landesvorsitzende sieht langfristig gute Zeiten für die FDP in den Neuen Bundesländern anbrechen. Mit dem Projekt 18 habe die Partei endlich den dringend notwendigen Strategiewechsel vollzogen, so Zastrow. Man habe sich von einer "Klientelpartei" zu einer "Freiheitlichen Volkspartei" gewandelt.

Überhaupt nicht in das neue Konzept Westerwelles paßt der neue Schatzmeister, Günter Rexrodt. Diesem fehlte schon als Minister jeglicher Gestaltungswille. Wie ausgerechnet mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister eine eigenständige Politik verwirklicht werden soll, bleibt Westerwelles Geheimnis.

Inhaltlich geschah nicht viel auf dem Parteitag. Alles wurde der aus Sicht der Wähler bedeutungslosen Frage nach der nächsten Wahlkampfstrategie untergeordnet. Nebenbei konzentrierten sich die Liberalen auf das Thema Bildung. Verbeamtete Lehrer soll es in Zukunft nach dem Willen der FDP nicht mehr gaben, dafür mehr Autonomie für die Schulen.

Auch an anderer Stelle trennen sich die Liberalen von herkömmlichen Konzepten. Nicht nur die Punkte wurden aus dem Logo entfernt. Die bislang einseitige Orientierung auf die Neue Mitte, auf die mittelständische Wirtschaft und auf die typischen Jungunternehmer weicht einer Ausrichtung auf das "ganze Volk", so Westerwelle in seinem Antrag. Hier lag das Dilemma der Liberalen bei den letzten Wahlen begründet. Die verklärte neue Gesellschaftsschicht aus Internet-Startups und Freiberuflern existiert so nicht, und schon gar nicht als geschlossene Wählergruppe.

Erste Reaktionen von Bürgern auf den Parteitag der Liberalen seien zahlreiche Beitrittsgesuche. Pressesprecher Martin Kothe verkündete am Montag, es seien schon 165 Neueintritte zu verzeichnen.

Nur wenigen war klar, daß Hochmut vor dem Fall kommt. Mit ihrer neuen Strategie will die FDP jetzt die 18 Prozent ins Visier nehmen. "Hoffentlich werden daraus nicht 1,8 Prozent", witzelte ein Delegierter.


 
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