© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001


Irrgangs Irrweg
von Claus-M. Wolfschlag

Die Allgemeinheit geht davon aus, von ihnen bezahlte "Verfassungsschützer" sicherten unser freiheitliches Grundgesetz und die Bürgerrechte vor der Bedrohung durch "Extremisten". Ad absurdum geführt wird dieser Gedanke allerdings, wenn "Extremisten" nur die jedem garantierten Grundrechte in Anspruch nehmen. Und wenn diejenigen, die vorgeben, das Grundgesetz zu schützen, die Abschaffung der schützenswerten Bürgerrechte fordern. Man nehme Äußerungen von Lutz Irrgang, Direktor des Hessischen Verfassungsschutzes. In Nachbetrachtung der Demonstrationen am 1. Mai bedauerte er, daß der 1. Mai "der Linken nicht mehr allein zu gehören" scheine: "Aus Sicht der Linken haben die Rechten ihnen damit den Tag der Arbeit gestohlen". Gerichtliche Verbotsaufhebungen seien somit "völlig unverständlich". Schließlich haben die "Rechtsextremen" in Frankfurt unter dem Motto "Den Euro stoppen und Globalisierung bekämpfen" demonstriert. Damit hätten sie klar der Verfassung widersprochen! Auf dieser Basis forderte Irrgang, an "historisch belasteten" Tagen "Demonstrationsanträge besonders kritisch zu prüfen", so am 18. Januar (Reichsgründung 1871), 20. April (Hitlers Geburtstag), 17. August (Heß-Todestag), 9. November (Pogromnacht), 8. Mai (Kapitulation 1945). Keine Meinungsvielfalt und Demonstrationen mehr an vorher festgelegten Daten?

Im Grundgesetz aber steht nichts von einer Pflicht zur Befürwortung des Euro oder von der Aussetzung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit an bestimmten Tagen. Sind solche Forderungen eines "Verfassungsschützers" nicht selber verfassungswidrig?


 
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