© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/01 04. Mai 2001

 
Am Rande des Egalen
Kino: "Lost Killers" von Dito Tsintsadze
Ellen Kositza

Branko ist Kroate und ein bißchen kriminell. Merab ist Georgier und wäre gern kriminell. Carlos kommt aus Haiti und trommelt in der Stadt um Geld. Lan, Vietnamesin, hat ein komplett verfaultes Gebiß und ist daher als Prostituierte wenig erfolgreich. Maria fühlt sich kubanisch, ist Gelegenheitsnutte und finanziert ihren Freund Branko. Sie alle leben in Mannheim, sind heimatlos und illegal in Deutschland. Zufällig kreuzen sich ihre Wege – was egal wäre, hätte nicht der Georgier Tsintsadze einen Film daraus gemacht. Den nennt die Presseinfo freilich eine "vielschichtige Parabel über Heimat und Heimatlosigkeit".

Vielschichtige Parabeln über dergleichen zu schreiben oder zu drehen ist ja durchaus ein bißchen schick. In Fatih Akins "Kurz und Schmerzlos" (1998) erschienen solche Zustände drastisch als Endzeit, im jüngeren "Kanack Attack" als provokantes Manifest, hier ist die ausgeartete Multikulti-Welt beschissener Alltag.

Entsprechend grobgestrickt ist die Geschichte, die gespielt wird. Branko und Merab (Lasha Bekradze, im realen Leben Talkshow-Moderator im georgischen Fernsehen) verdingen sich als Auftragskiller oder haben dies zumindest vor, ihr Debüt jedenfalls beginnen sie dilettantisch, sein nervöser Reizmagen läßt Merab, der das russische Opfer erschießen soll, immer wieder scheitern. Der dusselige Georgier über der Kloschüssel – nur einer dieser Witze, die gerade noch ein Höflichkeitsschmunzeln hervorzubringen vermögen.

Brankos Freundin Maria (Franca Kastein Ferreira Alves, die auch in Schlöndorffs "Die Stille nach dem Schuß" mitwirkte und sich nach Drehschluß von "Lost Killers" das Leben nahm) verbindet diese Episode mit jener, die sich zwischen Nuttenkollegin Lan und dem heftig von ihr umworbenen Zufalls-Freier Carlos anbahnt.

Wenn schon Klischee, dann richtig – der Schwarze Carlos erweist sich sexualtechnisch also als Granate, versetzt die schwer zahnkranke und entsprechend riechende Lan in komaartige Zustände, aus denen er sie mit immer heftigeren Ohrfeigen zu erwecken sucht. Wieder: Achtung, Komik! Einen Sinn oder eine tiefere Pointe sucht man vergeblich, als umspannender Hintergrund mag die beliebte Wurzellosigkeit gelten, die aber nicht beklagt, sondern hohl und trivial kultiviert werden will.

Das ganze präsentiert sich dann ummantelt von einer coolen Sorglosigkeit, halbverruchtem That’s-life-Getue: Branko und seine Freundin poppen ungeachtet ihres anwesenden Freundes auf dem Küchentisch, dieselbe Freundin versorgt nachher (aus taktischen Gründen) das angepeilte Mordopfer oral im Hotelbett, man säuft Wein und kokst hin und wieder, Großstadtalltag, nicht der Rede wert. Dabei hat’s Regisseur Dito Tsintsadze doch gar nicht bös’ gemeint, ehrgeizig sucht er sich in die Reihe georgischer Filmtradition einzureihen ("seit dem ersten georgischen Film haben die Regisseure immer die politischen und gesellschaftlichen Zustände im Land reflektiert"), und Deutschland – zumal Städte wie Mannheim – ist nun einmal längst auch ein Stück Georgien. So sind die Zeiten.

Will das Geschichtchen – in der für viele "deutsche" Filme üblichen Weise finanziell gefördert – nun die Zeit abbilden, will es provozieren oder einfach ein Stück unbesorgte Unterhaltung abliefern? Am Ende ist es Wurscht, und den Film hat man so schnell vergessen wie einen Gang durch die Straßen einer beliebigen westdeutschen Großstadt.


 
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