© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/01 04. Mai 2001

 
Bürgerkrieg in der Hauptstadt
Kriminalität: In Berlin ist es am 1. Mai erwartungsgemäß zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen
(JF)

Am 1. Mai ist es im Berliner Stadtteil Kreuzberg trotzt eines massiven Polizeiaufgebots erneut zu schweren Ausschreitungen gekommen. Das traditionelle Straßenfest am Mariannenplatz mit rund 5.000 Besuchern eskalierte am frühen Dienstagabend. Damit ist die Strategie von Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) nicht aufgegangen, durch frühzeitiges und konsequentes Eingreifen die seit Jahren stattfindenden Mai-Krawalle zu verhindern.

Die Polizei sperrte den Platz im Szenebezirk weiträumig ab und setzte mehrere Wasserwerfer und Tränengas ein. Ordnungskräfte wurden mit Steinen und Flaschen beworfen. Ein Auto ging in Flammen auf. Es gab mehrere Verletzte. Für die Nachtstunden wurde mit weiteren bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen gerechnet.

Werthebach hatte verkündet, mit einem Rekordaufgebot von 9.000 Beamten konsequent gegen Randalierer und Störer vorzugehen, um die seit Jahren an diesem Tag stattfindenden Randale linksautonomer Gruppen in Berlin im Keim zu ersticken. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen hatte sich entschlossen gezeigt, mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln gegen Randalierer vorzugehen.

Dennoch war es bereits in der Nacht zum 1. Mai zu den befürchteten gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Autonomen und Polizei gekommen. Rund 40 Personen wurden nach Angaben der Polizei festgenommen und mehrere Beamte verletzt. Im Berliner Stadtteil Friedrichshain hatten rund 500 Demonstranten in der Walpurgisnacht Straßenbarrikaden errichtet, Feuerwerkskörper angezündet und die Polizei mit Steinen beworfen. Die Polizei hatte Wasserwerfer eingesetzt.

Überwiegend gewaltfrei ging die 1.-Mai-Demonstration der NPD in Berlin zu Ende. Nach Polizeiangaben marschierten rund 1.000 Anhänger und Sympathisanten der NPD durch den Plattenbaubezirk Hohenschönhausen am Stadtrand. Gleichzeitig protestierten rund 600 linke Demonstranten gegen den NPD-Aufmarsch. Es gab einige vorläufige Festnahmen.

Gespannt war die Lage auch am Rande einer NPD-Demonstration in Mannheim. Rund 300 Demonstranten zogen vom Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt, wurden jedoch schon bald aufgehalten, weil etwa 500 Gegendemonstranten Sitzblockaden errichtet hatten. Dabei kam es laut Polizei mehrfach zu Rangeleien, aber nicht zu schweren Ausschreitungen. Es gab mehrere Festnahmen. Die NPD-Anhänger erklärten sich schließlich zur Umkehr bereit und hielten ihre Kundgebung in Bahnhofsnähe ab.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstagvormittag per Eilentscheidung NPD-Kundgebungen in Essen und Augsburg genehmigt, die von Verwaltungsgerichten zuvor verboten worden waren. In Essen zogen daraufhin rund 200 NPD-Anhänger durch die westliche Innenstadt. Es kam zu kleineren Zusammenstößen mit Gegendemonstranten. Mehrere Personen wurden festgenommen.

In Augsburg versammelten sich knapp 200 NPD-Anhänger vor der Sporthalle nahe dem Polizeipräsidium am westlichen Innenstadtrand. Auch hier war das Gebiet von einem hohen Polizeiaufgebot gesichert. Am Vormittag hatte in der Innenstadt bereits eine Demonstration von etwa 500 Antifaschisten stattgefunden. Insgesamt gab es laut Polizei 30 Festnahmen.

Weitgehend störungsfrei verlief nach Polizeiangaben eine Kundgebung von rund 750 NPD-Anhängern in Dresden, denen gut 100 Gegendemonstranten gegenüberstanden.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen