© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/01 04. Mai 2001


Europäische Finalität
von Philip Plickert

Vor dem Hintergrund der stockenden Reform der EU-Institutionen erwägt Bundeskanzler Schröder radikale Schritte zum Umbau der Europäischen Union: Aus der Brüsseler Kommission soll eine handlungsfähige "Exekutive", also eine europäische Regierung werden, der Ministerrat in eine "Staatenkammer" ähnlich dem deutschen Bundesrat umgewandelt werden und das Europäische Parlament das "volle Budgetrecht" bekommen. Schon als Außenminister Fischer in der Humboldt-Universität den Übergang vom Staatenbund zur "europäischen Finalität" beschwor, warnten britische Politiker, Fischer habe nun "die Verpackung um den kommenden europäischen Superstaat weggerissen". Leider haben sie mit ihrer düsteren Prognose recht behalten.

Die EU entfernt sich damit immer weiter vom Ideal ihrer Gründungsväter, dem "Europa derVaterländer". Bis heute ist die Gewaltenteilung, die Grundlage des demokratischen Rechtsstaates, in der EU nur äußerst schwach entwickelt: Eine selbstherrliche, im Stile der Geheimdiplomatie agierende Kommission erläßt im Verein mit dem Ministerrat Gesetze (Europarecht bricht nationales Recht!), während das Parlament, also die "Legislative", nicht einmal das Recht zur Gesetzesinitiative besitzt. Wer kann die Entmündigung der europäischen Bürger durch eine krebsartig wuchernde Eurokratie stoppen? Nur Karlsruhe? Gerade im beginnenden deutschen Wahlkampf bieten Schröders Pläne reichlich Angriffsfläche für die Opposition, falls sie sich von ihrem in europapolitischem Starrsinn befangenen Übervater Kohl befreien kann.


 
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